Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
seufzten simultan. »Sie ist ungestüm, nicht wahr?«
»Soll ich dir sagen, warum sie anders ist als die anderen? Wie besonders sie sein wird?«, fragte die Frau, die Ashlyns Hand festhielt, Keenan.
Plötzlich hörten alle Elfen auf zu reden. Sie schauten ungeniert zu ihnen hin, gebannt und begeistert, als würde sich vor ihren Augen ein schrecklicher Unfall ereignen.
»Nein.« Ashlyn riss ihre Hand los und griff nach Keenans Arm.
Er rührte sich nicht von der Stelle.
»So besonders, wie ich es geträumt habe?«, fragte er die blinde Frau so laut, dass auch die nach vorn drängenden Elfen es hören konnten.
»Niemals mehr wirst du eine treffen, die so außergewöhnlich ist wie sie.« Die drei Frauen nickten unheimlich synchron, als wären sie drei Körper mit einem Geist.
Keenan warf ihnen grinsend eine Handvoll fremdartiger Bronzemünzen zu, die sie mühelos aus der Luft fingen, wobei ihre Arme zeitgleich den exakt gleichen Bogen beschrieben.
Ich muss hier raus. Sofort.
Aber sie konnte nicht weglaufen. Wäre ihre Sehergabe nicht gewesen, hätte sie keinen Grund gehabt, so heftig zu reagieren: Die Frauen waren nicht seltsamer als die meisten anderen Schausteller.
Verrate dich nicht. Denk an die Regeln.
Sie durfte jetzt nicht panisch werden. Ihr Herz raste noch immer wie verrückt, und sie bekam kaum Luft. Reiß dich zusammen. Konzentrier dich. Sie musste hier raus, weg von den Elfen, zurück zu Seth. Sie hätte nicht herkommen dürfen. Es kam ihr vor, als wäre sie in eine Falle gegangen.
Sie wich vor den Frauen zurück und zerrte an Keenans Arm. »Komm. Lass uns was trinken gehen.«
Er zog sie an sich und ging mit ihr durch die tuschelnde Elfenschar.
»Sie ist die Richtige.«
»Habt ihr gehört?«
»Sagt es weiter.«
»Beira wird außer sich sein.«
Im weiteren Verlauf des Abends tauchten auf dem Jahrmarkt Elfen auf, die er schon Jahre nicht mehr gesehen hatte. Ganz schön viele – sogar wenn man die Hexen abzieht, die nur da sind, um für Beira zu spionieren. Abgesandte von anderen Elfenhöfen trafen ein, manche von ihnen zum ersten Mal seit mehreren hundert Jahren. Sie wissen es.
»Keenan?« Einer der Wachmänner aus Donias Garten kam näher und verbeugte sich.
Keenan schüttelte den Kopf. Er zog Ashlyn rasch an sich und hielt sie in einer lockeren Umarmung – nicht gerade sehr elegant, aber es erfüllte seinen Zweck. Ashlyn schimmerte leicht in der Dunkelheit, Sonnenlicht flutete bereits durch ihren sich verwandelnden Körper. Manchmal passierte das; die Veränderung vollzog sich so schnell, dass die Mädchen misstrauisch wurden. Und es ergab durchaus Sinn, dass seine Königin – denn nichts anderes konnte sie sein – sich sogar noch schneller verwandelte als die anderen.
Hinter Ashlyns Rücken nahm ein Ebereschenmann, der einen Menschenzauber trug, Donias Wachmann beiseite.
»Was ist los?«, fragte Ashlyn. Sie schaute mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffneten Lippen zu Keenan hoch, als wartete sie darauf, geküsst zu werden.
Dazu ist es noch zu früh. Aber er trat näher an sie heran und hielt sie, als wären sie auf einem Ball. Und wir werden einen Ball geben, ihr die ganze Pracht unseres Hofes zeigen. Sobald sie den Thron besteigt.
»Ich möchte heute Abend durch nichts gestört werden. Und sollte die Welt untergehen, ich will es nicht wissen«, sagte er über Ashlyns Schulter hinweg zu dem Ebereschenmann, der Donias Wache abgefangen hatte.
Und so war es auch. Er hatte seine Königin gefunden; nach Jahrhunderten der Suche lag sie endlich in seinen Armen. Die Eolas hatten es im Grunde bestätigt.
»Tanz mit mir«, flüsterte er ihr zu.
Sie schüttelte den Kopf und sah ihn fast ängstlich an. »Wir haben hier doch gar keinen Platz, und Musik gibt es auch keine.«
Er wirbelte sie herum und wünschte sich, sie hätte ordentliche Röcke an. Er vermisste den Schwung von Seide und das Rascheln von Unterröcken. »Doch, natürlich.«
Niemand versperrte ihnen in den Weg. Niemand rempelte sie an. Die Menge schob sich im Gegenteil um sie herum und teilte sich, um Platz zu machen für seinen ersten Tanz mit ihr, seiner Königin.
Er sah, dass seine Sommerelfen – jetzt unsere Elfen – ihre Zauber ablegten, für Menschenaugen unsichtbar wurden und unten am Flussufer ebenfalls zu tanzen begannen. Mit Ashlyn an seiner Seite würde er sie bald beschützen und für sie sorgen können wie ein wahrer König des Sommers.
»Hörst du die Musik denn wirklich nicht?« Er führte
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