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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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einflößen konnte, oder ob der Hundself ihm immer noch grollte, weil er Irial damals verlassen hatte – aber er stocherte bei jeder sich bietenden Gelegenheit in alten Wunden herum, obwohl Niall sich normalerweise nicht darum kümmerte. Heute Abend war Niall jedoch nicht besonders gleichmütig gestimmt, deshalb fragte er provozierend: »Glaubst du, Iri mag mich einfach lieber als dich, Gabriel?«
    Einige Sekunden lang, in denen Nialls Herz viel zu schnell schlug, starrte Gabriel ihn einfach nur an. Dann antwortete er: »Du bist anscheinend der Einzige, der die Antwort darauf nicht kennt.«
    Bevor Niall etwas erwidern konnte, rammte Gabriel ihm seine Faust ins Gesicht, drehte sich um und ging davon.
    Während er den jäh einsetzenden Schmerz wegblinzelte, beobachtete Niall, wie der Hundself die Straße entlangschlenderte und seine Hände seelenruhig um die Kehlen zweier Dunkelelfen legte, die offenbar in der Nähe gelauert hatten. Gabriel hob die beiden Söldner hoch und würgte sie, bis sie keinen Widerstand mehr leisteten. Dann warf er sie über seine Schulter und raste so schnell davon, dass sich hinter ihm eine kleine Windhose bildete.
    Es war nicht Gabriels Brutalität, die Niall stutzig machte, sondern das Fehlen eines klar erkennbaren Befehls auf der Haut des Hundselfen. Der Halb-Friede nach Beiras Ende musste sich an den anderen Höfen unweigerlich negativ bemerkbar machen. Wie Irial damit zurechtkam, sollte Niall eigentlich nur deshalb interessieren, weil sein eigener Hof – der Sommerhof – geschützt werden musste. Trotzdem empfand Niall einen Rest von Sorge um den König der Finsternis – ein Gefühl, das er jedoch nie laut eingestehen würde.
    Leslie war angenehm überrascht, als Ashlyn nach ihrer Schicht draußen vor dem Restaurant auf sie wartete. Früher hatten sie sich häufiger nach der Arbeit getroffen, aber im Laufe des vergangenen Winters hatte sich alles verändert.
    »Wo sind denn …«, Leslie unterbrach sich, da sie nichts Falsches sagen wollte, »alle?«
    »Seth ist im Crow’s Nest. Keenan arbeitet an irgendwas. Und wo Carla und Ri sind, weiß ich nicht.« Ashlyn stand auf und wischte sich die Hände an der Jeans ab, als hätte die kurze Berührung mit dem Boden sie schmutzig gemacht. Obwohl Ashlyn sich in den zwielichtigsten Schuppen wohlfühlte, war sie immer noch extrem auf Ordnung und Sauberkeit bedacht.
    Ashlyn beäugte ein paar fremde Typen auf der anderen Straßenseite. Kaum dass sie den Blick abwendete, grinste einer von ihnen Leslie an und leckte sich die Lippen. Leslie zeigte ihm reflexartig den Mittelfinger – und begriff erst dann, was sie getan hatte. Eigentlich wusste sie doch, dass man als Mädchen sicherer war, wenn man Ärger vermied und nicht auch noch welchen provozierte. Sie war eigentlich auch gar nicht der Typ, der anderen sofort den Mittelfinger zeigte oder sie anschnauzte; nicht mehr, jetzt nicht mehr.
    Ashlyn beendete ihre Straßeninspektion. Sie war immer sehr vorsichtig; so vorsichtig, dass Leslie sich manchmal fragte, was Ashlyn wohl erlebt oder getan haben mochte, dass sie so eine Vorsicht walten ließ.
    »Gehen wir zum Brunnen?«, fragte Ashlyn.
    »Ja, okay.« Leslie wartete, bis Ashlyn sich in Bewegung setzte, dann warf sie einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass der Typ nicht die Straßenseite wechselte. Er winkte ihr zu, folgte ihr jedoch nicht.
    »Sag mal, kanntest du diesen Kerl von heute Abend? Den, mit dem du gesprochen hast, als ich reinkam?« Ashlyn steckte die Hände in die Taschen ihrer viel zu großen Lederjacke. Sie besaß einen sehr schönen Mantel, trug jedoch, wenn Seth nicht bei ihr war, am liebsten seine abgewetzte Jacke.
    »Hab ihn noch nie vorher gesehen.« Leslie erschauderte, als sie bei seiner Erwähnung plötzlich ein heftiges Verlangen überkam – und sie beschloss, Ashlyn nicht zu erzählen, dass er einen zweiten Besuch angekündigt hatte.
    »Der war ganz schön beeindruckend.« Ashlyn blieb stehen, und sie warteten, bis sie die schlecht beleuchtete Kreuzung an der Edgehillstreet überqueren konnten.
    Die Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Busses durchschnitten die Dunkelheit und tauchten einen Moment lang Gestalten ins Licht, die wie eine Frau mit Federn auf dem Kopf und eine Gruppe von rotbemalten muskulösen Männern aussahen. In letzter Zeit hatte Leslie wirklich eine allzu lebhafte Phantasie. Kürzlich hatte sie das Gefühl gehabt, die Welt mit den Augen eines anderen zu sehen und Dinge wahrnehmen zu

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