Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Geld sie in der Hand hielt; es waren alles große Scheine. Sofort versuchte sie, ihm einige davon zurückzugeben. »Warten Sie. Sie haben sich vertan.«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Aber …«
Er beugte sich herab und flüsterte ihr ins Ohr: »Du bist es wert, dass ich all meine Schatztruhen für dich leere.«
Einen Augenblick spürte sie, wie sich etwas Weiches um sie legte. Flügel .
Dann wich er zurück. »Geh und kümmere dich um deine Freundin. Ich komme zurück, wenn sie nicht zusieht.«
Damit ging er hinaus und ließ sie reglos mitten im Raum stehen, mit mehr Geld in der Hand, als sie je in ihrem Leben gesehen hatte.
Sieben
Als Niall im Verlaine ankam, war Irial bereits weg. Zwei der Wachen, die draußen vor dem Restaurant gestanden hatten, bluteten heftig aus Bisswunden an ihren Armen. Ein Teil von ihm wünschte sich, er wäre früher herbeigerufen worden, doch er unterdrückte diesen Gedanken, bevor er ihn ernst nehmen musste. Niall wurde immer gerufen, wenn Irial sich an den Sommerelfen vergriff, denn der König der Finsternis weigerte sich in der Regel, gegen Niall vorzugehen. Gabriel dagegen hatte keinerlei Bedenken, Niall zu verletzen, und schien ihm gegenüber häufig sogar noch brutaler zu sein, wenn Irial in der Nähe war.
»Der Anführer der Gabrielhunde«, stieß einer der Ebereschenmänner schaudernd hervor. »Er ist einfach hier aufgekreuzt und hat uns angegriffen.«
»Aber wieso?« Niall sah sich suchend nach irgendeinem Anhaltspunkt, einem Hinweis um, weshalb Gabriel so etwas tun sollte. Niall mied die linke Hand des Königs der Finsternis, so gut es ging, aber er hatte keineswegs vergessen, was er am Hof der Finsternis gelernt hatte: Gabriel handelte nie ohne Grund. Vielleicht durchschauten ihn die Elfen des Sommerhofs nicht, aber einen Grund gab es garantiert. Da war Niall sich sicher. Und genau deswegen war Niall für den Sommerhof so wichtig: Er kannte die brutalen Neigungen der anderen Höfe aus eigener Anschauung.
»Die Sterbliche hat mit Gabriel und dem König der Finsternis geredet«, sagte eine Ebereschenfrau, während sie sich um ihren blutenden Bizeps kümmerte. Sie hielt mit den Zähnen das Ende des Spinnwebfadens fest, mit dem sie ihren Arm verband. Niall hätte ihr gern seine Hilfe angeboten, doch er wusste, dass sie mit den Glaistigs trainiert hatte. Das machte sie zu einer großen Kämpferin, aber es bedeutete auch, dass sie vehement alles ablehnte, was nach Mitleid roch.
Niall schaute weg. Er konnte Leslie durch das Fenster beobachten. Gerade lächelte sie die Sommerkönigin an und schenkte ihr Wasser nach. Obwohl daran nichts Ungewöhnliches oder Aufregendes war, fühlte sich seine Kehle plötzlich ganz trocken an. Er wollte zu ihr gehen, wollte … Dinge tun, die mit Sterblichen zu tun er sich nicht einmal erträumen durfte. Unwillkürlich hatte er die Straße überquert, war an das Fenster herangetreten und hatte seine Hand an die Scheibe gelegt. Das kalte Glas war eine dünne Barriere. Er brauchte nur ein wenig dagegenzudrücken, um es zu durchbrechen, um zu spüren, wie die Scherben in seine Haut schnitten, um zu ihr zu gehen und seinen Körper in ihren zu senken. Ich könnte mich ihr zeigen. Ich könnte …
»Niall?« Die Ebereschenfrau stand neben ihm und starrte durch das Fenster. »Müssen wir da reingehen?«
»Nein.« Niall riss seine Augen von Leslie los und zwang sich, an etwas weniger Verführerisches zu denken. Er beobachtete sie nun schon seit Monaten; es gab keinen Grund für diese plötzlichen irrationalen Anwandlungen. Vielleicht hatten die Gedanken an Irial seine Widerstandskraft geschwächt. Niall schüttelte von sich selbst angeekelt den Kopf.
»Geht nach Hause. Ashlyn hat jede Menge Wachen bei sich, und ich passe auf die Sterbliche auf.«
Die Ebereschenfrau zog sich ohne jeden weiteren Kommentar mit ihrem Gefolge zurück, und Niall ging wieder zu der Mauernische auf der anderen Straßenseite, wo er schon so oft während Leslies Schichten im Verlaine gestanden und gewartet hatte. Er lehnte sich gegen die Steinmauer und spürte die vertrauten Spitzen und Kanten in seinem Rücken, während er die Gesichter der Sterblichen und der Elfen auf der Straße im Blick behielt. Er zwang sich daran zu denken, wer er war und was er getan hatte, bevor Irial ihm seine Identität enthüllt hatte, bevor er erkannt hatte, wie hinterhältig Irial war. Alles Dinge, die mir ganz deutlich zeigen, dass ich Leslie nicht anrühren darf. Niemals.
Als Niall sich
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