Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
mit Niall zu bereiten?«
»Weil ich Recht habe.« Irial sah keinen Grund, nicht aufrichtig zu sein. »Ich verstehe einiges von Sucht und Abhängigkeit: Das sind die Währungen, in denen an meinem Hof gezahlt wird. Niall gehört nicht zu Keenan, nicht mehr. Keenan hat ihn schlechter behandelt, als du weißt.«
Ashlyns gelassenes Lächeln veränderte sich nicht, doch in ihren Augen zeigten sich winzige Strahlen von Sonnenlicht. »Und warum sollte dich das interessieren?«
Er lehnte sich zurück, streckte seine Beine aus und setzte sich so bequem zurecht, wie es ihm in einer Menge von herumtollenden Sterblichen möglich war. »Wenn ich dir sagen würde, dass ich Niall gernhabe, würdest du mir das glauben?«
»Nein.«
»Elfen lügen aber nicht.«
»Nicht direkt«, berichtigte sie ihn.
»Nun, wenn du mir nicht glaubst, was kann ich da noch sagen?«, erwiderte er achselzuckend. »Mir macht es einfach Spaß, den Junior zu provozieren.« Er griff nach ihrer Hand. Im Gegensatz zu den meisten anderen Elfen war die Sommerkönigin schnell genug, um seiner Berührung ausweichen zu können – Sonnenlicht ist ebenso schnell wie Schatten –, doch sie tat es nicht. Keenan hätte es getan.
Mit Königinnen zu tun zu haben ist ja so viel angenehmer.
Drückende sommerliche Hitze, dunstige Brisen und ein merkwürdig süßer Geschmack von feuchter Luft stürmten auf Irial ein. Es war wundervoll. Er hielt ihre Hand, wusste, dass sie das innerste Wesen seines Hofes ebenso spürte wie er das ihres Hofes, und fühlte ihren Puls flattern wie ein gefangenes Vöglein, das verzweifelt einen Ausweg suchte.
Sie errötete und zog ihre Hand weg. »In Versuchung zu sein, ist nicht dasselbe, wie interessiert zu sein. Ich werde von meinem König jeden Augenblick, jeden Tag aufs Neue in Versuchung geführt … aber Sex als hohles Vergnügen interessiert mich nicht. Und selbst wenn es mich interessieren würde, dann ganz bestimmt nicht mit dir.«
»Ich bin nicht sicher, wen ich mehr beneiden soll – den Junior oder dein sterbliches Spielzeug«, erwiderte Irial.
Funken erleuchteten den Club, als ihr Temperament schließlich doch noch mit ihr durchging. Aber auch wenn ihre Laune schwankte, war sie immer noch nicht so reizbar wie Keenan. »Seth ist kein Spielzeug«, sie taxierte ihn mit einer Klarheit, die Keenan nicht besaß, »ebenso wenig wie Leslie für dich ein Spielzeug ist. Oder?«
»Aber Keenan versteht das nicht. Wenn er sich Sterbliche genommen hat, dann hat er ihnen stets auch ihre Sterblichkeit geraubt.«
»Und du?«
»Ich mag Leslie so, wie sie ist.« Er schüttelte eine Zigarette aus der Packung und klopfte sie auf die Tischplatte. »Aber unser Geheimnis verrate ich dir nicht … ebenso wenig wie ich dir die Geheimnisse vom jungen König oder von Niall verraten werde.«
»Warum lässt du sie nicht einfach laufen?«
Er sah sie an und fragte sich kurz, ob sie ihm wohl seine Zigarette anzünden würde. Miach, der letzte Sommerkönig, hatte sich immer einen Spaß daraus gemacht, irgendwelche Dinge in Brand zu setzen. Aber Irial bezweifelte, dass Ashlyn das tun würde, und holte sein Feuerzeug heraus. »Diese Frage werde ich nicht beantworten, nicht jetzt, nicht ohne Grund. Sie gehört mir. Das ist alles, was zählt.«
»Was, wenn ich dir erzähle, dass unser Hof sie zurücknehmen würde?«
Er zündete seine Zigarette an, nahm einen kräftigen Zug und blies den Rauch aus. »Dann wärst du im Irrtum.«
Irial wies sie nicht darauf hin, dass der Sommerkönig sich nicht im Geringsten für Leslie interessierte. Ashlyn mochte ja etwas an seiner Leslie liegen, aber Keenan? Ihm lag an niemandem etwas, außer an seinen Sommerelfen und seiner Königin. Und auch das ist nicht immer gut für sie.
Verärgert, aber immer noch Herrin über ihre Gefühle, fixierte Ashlyn ihr Gegenüber mit einem Blick, der die meisten anderen Elfen in die Knie gezwungen hätte. Bevor sie etwas sagen konnte, ergriff Irial erneut ihre Hand. Sie versuchte, sie ihm zu entwinden, und ließ ihre Haut so heiß werden wie geschmolzener Stahl.
»Leslie gehört mir, so sicher wie dein Seth dir gehört und die Sommermädchen Keenan.«
»Sie ist meine Freundin.«
»Dann hättest du sie besser beschützen sollen. Weißt du, was ihr angetan wurde? Wie verzweifelt sie war? Wie verängstigt?«
Sosehr es ihn auch rührte, dass Ashlyn sich für sein Mädchen starkmachte, das war kein Grund, Leslie zu opfern. Sie hatten sie nicht beschützt, hatten nicht für ihre
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