Sommerlicht Bd. 4 Zwischen Schatten und Licht
fragte Rae das Mädchen.
»Die Königin ruft nach dir. Verschwinde besser aus meinem Traum.« Die Sterbliche regte sich nicht, aber dann schaute sie nach rechts und links, als könnte noch jemand in ihren Traum kommen. Mit einem alarmierten Blick fügte die Sterbliche hinzu: »Beeil dich. Man sollte sie nicht warten lassen. Die Königin des Verstandes reagiert in letzter Zeit alles andere als rational.«
Rae nickte und kehrte zu Sorcha zurück. »Du hast mich gerufen?«
Die gesamte Haltung der Königin des Lichts veränderte sich. Ihre Arroganz verblasste hinter unverhohlener Freude. Ihre silbrigen Augen schimmerten, als wären Vollmonde darin verborgen. Sie lächelte Rae an – nicht freundlich, aber erfreut.
Rae hatte sich noch nie so geängstigt wie in diesem Moment.
»Es funktioniert.« Sorcha blickte auf die Sterblichen und befahl: »Macht alles bereit!«
Die beiden Mädchen setzten sich auf. Eine kam, um der Königin die äußere Schicht ihrer Kleidung abzunehmen. Die andere legte die Kissen auf einem kunstvoll verzierten Bett zurecht, das plötzlich vor ihnen auftauchte. Das Gestell war aus Stein gemeißelt, darauf waren dicke Decken anstelle von Matratzen gestapelt.
Sorcha beugte sich zu Rae und flüsterte: »Ich werde meinen Sohn sehen. Dafür wirst du sorgen.«
Rae konnte sich vor lauter Angst nicht rühren.
»Sobald ich ihn sehen kann, wirst du aus meinem Traum verschwinden.« Sorcha stieg das halbe Dutzend Steinstufen zu dem Bett hinauf. Nachdem sie sich hingelegt hatte, fuhren zu allen Bettseiten gläserne Wände hoch. »Nur Devlin oder Seth dürfen mich wecken. Teilt ihm mit, dass ich sicher in meinem Bett liege, wenn er zurückkommt.«
Beide Sterbliche machten einen Knicks. Keine sagte ein Wort.
»Ihr werdet tun, was ich euch befohlen habe, und du, Rae, wirst mich jeden Tag besuchen, um mir zu sagen, was meine Ohren und Augen«, sie sah zu den beiden Sterblichen, »berichten.«
»Eure Hoheit …«
»Meine Königin«, korrigierte Sorcha. »Ich bin die Königin aller im Elfenreich. Möchtest du im Elfenreich leben?«
»Ja, das möchte ich.«
Sorcha zog ihre zierliche Augenbraue hoch.
Rae machte einen Knicks. »Ja, das möchte ich, meine Königin, aber was, wenn Gefahr droht? Sollten wir dann nicht dazu in der Lage sein, dich zu wecken?«
»Nein.« Die Königin des Lichts schloss die Augen, während sich die gläsernen Wände um sie schlossen. »Ich habe gesprochen. Ihr werdet gehorchen.«
Neunzehn
Während Ani ihre Wut verdaute, blieb Devlin so still, wie er konnte – was nach Jahrhunderten im Elfenreich der Stille der Erde gleichkam. Allerdings fiel es ihm hier neben Ani schwer, gelassen zu bleiben – was im Elfenreich nie vorgekommen wäre. Je länger der Wagen vorwärtsraste und zwischen den anderen Autos hindurchpreschte, desto mehr Ruhe strahlte Ani aus.
Im Gegensatz zu mir.
Devlin fand die Ähnlichkeit des Rosses mit dem Auto eines Sterblichen nervtötend. In einem Stahlkäfig gefangen zu sein, machte ihm körperlich nicht so viel aus wie den meisten anderen Elfen, war aber dennoch beunruhigend. Außerdem hatte das Ross sich für ein kleineres Modell entschieden, was ihm körperliches Unbehagen bereitete. Der Barracuda war durch einen lächerlich kleinen, kirschroten Austin Mini mit einem offenen Verdeck ersetzt worden, Ani zufolge ein »Klassiker« von 1969. Nichts daran war raffiniert oder so gestaltet, dass ein durchschnittlich großer Insasse hineinpasste – oder sonst irgendwie damit harmonierte. Dazu kam Anis Bedürfnis, Musik in einer Lautstärke zu hören, die Sterblichen-Ohren ganz sicher dauerhaft geschädigt hätte. Das war der letzte in einem Dreiklang von Gründen für sein Unbehagen.
»Ani?« Er übertönte den Krach von jemandem, der davon sang, alles Billigen und Fröhlichen überdrüssig zu sein.
Sie ignorierte ihn, weshalb er die Musik leiser drehte.
»Ani, ich würde gern unseren Plan besprechen.« Seine Stimme verriet nichts von Frust und Besorgnis.
»Unseren Plan?«
»Ja. Unseren Plan. Glaubst du, du könntest allein gegen meine Schwester ankommen?« Devlin klammerte sich an den Türgriff, als sie erneut aufs Gas trat.
»Ich kann genauso gut auf mich gestellt sein. Du warst jedenfalls absolut keine Hilfe, als ich sie angreifen wollte.« Ani sah in seine Richtung und bleckte die Zähne. »Du warst zu nichts nütze. Ich sollte dich einfach irgendwo am Straßenrand absetzen. Vielleicht …«
»Sie hätte dich gefangen genommen oder
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