Sommerlicht, und dann kommt die Nacht: Roman
sagt Asdis zu Kjartan um die Mittagszeit: Fahr du mit Diljä ins Dorf, hier ist der Einkaufszettel. Danach holst du Björgvin und Kolbrun von der Schule ab und fährst mit ihnen zu Mama und Papa.
Was ist mit dir?
Ich bleibe zuhause, ich muss lernen.
Zwei Tage sind also vergangen. Zwei Tage in der Hölle für Kjartan, nachts wachte er mehrmals auf, schlich nach unten in die Küche, aß ein Brot, trank Milch, kaute Schmalzringe, und im Fenster war schwarze Nacht. Asdis verhielt sich wortkarg, und er hatte gewartet, jede Minute damit gerechnet, dass sie sagte: Ich weiß alles, du bist doch ein Arschloch, oder: Ich habe die Scheidung eingereicht, oder: Hier ist ein Messer, schneid dir die Eier ab. Doch statt eines Messers drückt sie ihm also den Einkaufszettel in die Hand und schickt ihn in den Ort. Er war absolut davon überzeugt, dass sie Bescheid wusste oder mindestens einen starken Verdacht hatte, und stellte sich auf Reaktionen ein, auf Wut, darauf, dass sie ihn anschreien würde, und jetzt sitzt er mit dem Einkaufszettel in der Tasche am Steuer, und Dilja hampelt in ihrem Kindersitz. Das Auto rollt die Einfahrt hinab. Heute Abend rede ich mit ihr, denkt er, wenn die Kinder schlafen, ich werde ihr alles gestehen, ich bin ein Feigling, ein fettes, feiges Schwein. Er biegt auf die Straße, schaltet in den Dritten.
Asdis sitzt im Wohnzimmer und wartet darauf, dass der Wagen wegfährt, das Motorgeräusch verklingt, dann steht sie auf und geht in den Vorratsraum. Sie stellt sich auf einen Hocker, um ans oberste Regal zu kommen, und holt die Schafspistole und ein Päckchen Patronen herab, geht zur Tür, zieht den Anorak über und ein Paar Schuhe. Das Thermometer zeigt sieben Grad, es geht kaum Wind, ist überwiegend bedeckt, aber trocken, nur über den Bergen im Südosten regnet es. Die Hündin und die Welpen sind draußen, so voller Spielfreude, dass sie nichts anderes im Sinn haben, als sich um sich selbst zu drehen und diesem wunderbaren Schwänzchen nachzujagen, das sich nie einholen lässt, oder herumzutollen und Luftsprünge zu machen. Asdis nimmt das Junge mit dem hellen Fleck auf der Stirn auf den Arm, es wedelt mit dem Schwanz und versucht ihr das Gesicht zu lecken, kommt aber nicht so hoch und leckt ihr stattdessen die Hand. Sie geht mit ihm in die Waschküche, durch den Eingang hinter dem Haus. Dort kniet sie sich mit dem Hündchen, das eifrig sein Schnäuzchen in den Ärmel drängt, sagt: Armes Kerlchen, drückt es langsam und sorgsam an den Boden und schießt ihm in den Nacken. Junge Hunde denken nicht an den Tod, sie sind ausgelassen und glauben, das Leben dauere ewig, und dann ist es schon vorbei.
Asdis holt den nächsten Welpen, der dritte springt um sie herum und jault, weil er nicht mit darf, er wartet an der Tür und kratzt, springt sofort in die Waschküche, als Asdis öffnet. Er bellt zweimal, fragt vielleicht: He, wo seid ihr? Und was kann man darauf für eine Antwort geben, was wird aus toten Hündchen, dürfen sie mit ihrer unvergleichlichen Spielfreude noch irgendwohin? Asdis erwischte den dritten Welpen nicht sogleich, er hielt das Ganze für ein Spiel, lief weg und war fix und geschickt darin, sich aus ihren Händen zu winden, aber schließlich blieb er mit dem Kopf in einem von Kjartans Wanderschuhen stecken. Er drehte ihn nur ein wenig, als er den Pistolenlauf spürte, sein Herz klopfte schnell, und dann klopfte es gar nicht mehr. Asdis brauchte eine Weile, ehe sie die Hündin fand, die sich im Stall versteckt hatte, sie lockte sie mit Koseworten, und die Hündin kam schließlich zitternd und winselnd auf dem Bauch angekrochen, Hunde haben empfindliche Nasen, und der Tod riecht. Hinterher hob Asdis ein tiefes Loch aus, die Erde war noch hart und zäh nach dem Winter, daher war es anstrengend, aber körperlich schwere Arbeit tut gut, darüber vergisst man. Dann betrachtete sie noch eine Weile die Hündin und ihre Jungen in der Grube, versuchte, sie besser zurechtzulegen, dachte an etwas, schüttete das Loch zu und stampfte die Erde ordentlich fest. Als Nächstes ging sie in den Kuhstall und den Verschlag für die Hühner dahinter, schnappte sich den dösenden Hahn von der Stange und klemmte ihn sich unter den Arm, damit er nicht mit den Flügeln schlagen konnte, marschierte in den Geräteschuppen und holte ein breites Messer, packte den Hahn anders, hielt ihn am Hals und schleuderte ihn rasch auf eine Tonne vor dem Schuppen und schlug ihm den Kopf ab. Sie trat einen Schritt zurück und
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