Sommerliebe
Wendrow.
»Was?«
»Der Weg nach Bansin.«
»Wie weit?« gab der Dentist die Frage an Frau Sneganas weiter.
»Ein paar Kilometer«, antwortete sie. »Bei gutem Wetter gibt's in der ganzen Gegend hier kaum einen beliebteren Spazierweg.«
»Mit gutem Wetter wären wir ja gesegnet«, meinte Franz Müller und blickte Erika Albrecht ermunternd an.
Diese schüttelte jedoch ablehnend den Kopf.
»Sie werden doch nicht mich dazu verleiten wollen, Herr Müller?«
»Warum nicht?«
»Ich bitte Sie, Sie sprachen doch von einem Ball?«
»Ja.«
»Ein solcher besteht doch in der Hauptsache aus Tanz?«
»Ja, sicher.«
»Und dazu hätten Sie mich ausersehen?«
»Warum nicht?« erwiderte Franz Müller abermals.
Die Lehrerin lachte.
»Nein, nein, das will ich Ihnen ersparen. Sie ahnen ja gar nicht, was Sie sich damit antun würden.«
»Wieso?«
»Ich habe seit zwanzig Jahren keinen Schritt mehr getanzt.«
»Das sagt doch gar nichts«, blieb der Dentist hartnäckig. »Mit dem Tanzen ist das so wie mit dem Radfahren, Fräulein Albrecht. Beides verlernt man nie mehr im Leben.«
»So?«
»Wußten Sie das noch nicht?«
»Nein … das heißt, vom Radfahren habe ich das schon einmal gehört, aber –«
»Aber vom Tanzen noch nicht«, fiel ihr der Dentist ins Wort. »Deshalb muß es Ihnen bewiesen werden, und zwar gleich heute abend, das ist doch ganz logisch. Oder wäre hier jemand anderer Meinung?«
Er blickte sich siegessicher in der Runde um.
»Sie, Herr Doktor?« fragte er Wendrow.
»Keinesfalls.«
»Sie, Herr Bartel?«
»Durchaus auch nicht.«
»Sie, Frau Sneganas?«
»Das«, blieb die alte Dame neutral, »muß Fräulein Albrecht selber wissen.«
»Sie enthalten sich also gewissermaßen der Stimme?«
»Ja.«
»Sie sehen«, wandte sich Müller an Erika Albrecht, »welchen Anklang Ihr Einwand findet – nämlich gar keinen. Ich betrachte ihn also mit Billigung der Allgemeinheit als gestrichen.«
Erika Albrecht nahm zu einem anderen Faktor Zuflucht.
»Ich habe doch auch überhaupt nichts Passendes zum Anziehen.«
»Es fehlt Ihnen etwas Langes, wollen Sie sagen? Ein Abendkleid?«
»Ja.«
»Sie vergessen, daß hier von allen Leuten Ferien gemacht werden. Bälle haben deshalb, was die Garderobe der Damen angeht, ein zwangloseres Gesicht als anderswo. Habe ich recht, Frau Sneganas?«
»Ja«, nickte diese.
»Trotzdem …«, sagte Erika Albrecht und verstummte. Ihre Weigerung, die sie dadurch immer noch zum Ausdruck bringen wollte, stand also schon auf ziemlich schwachen Beinen.
»Was machen wir?« fragte Rolf nach dem Frühstück seinen Freund Heinz.
»Wolltest du nicht Ansichtskarten schreiben?«
»Und du?«
»Ich laufe hier ein bißchen rum.«
»Ich komme mit.«
»Wieso? Erledige lieber deine Post.«
»Nein, ich komme mit. Spazierengehen gefällt mir besser.«
»Dann geh du spazieren, und ich schreibe Karten.«
Rolf begriff und sagte eingeschnappt: »Ach so, ich verstehe, ich fall dir auf den Wecker. Der Herr will allein sein.«
»Hättest du etwas dagegen?«
»Nicht im geringsten.«
»Warum guckst du dann so böse?«
»Weil ich wissen möchte, warum du mich loshaben willst.«
»Ich will dich doch nicht loshaben, ich –«
»Hoffst du etwa, dem Mädchen, das dich die ganze Nacht nicht schlafen ließ, zu begegnen?«
»Wieso mich die ganze Nacht nicht schlafen ließ, woher willst du das wissen?«
»Weil ich dir das ansehe, ich bin Arzt. Alle sehen dir das an, und sie sind keine Ärzte. Erinnere dich an den Frühstückstisch vorhin.«
»Ihr seid verrückt!«
»Wenn hier einer verrückt ist, dann du«, sagte Rolf mit Nachdruck, wandte sich ab und entfernte sich.
»Wo willst du hin?« rief ihm Heinz nach.
»Auf mein Zimmer, Ansichtskarten schreiben.«
»Und ich?!«
»Du gehst spazieren.«
»Rolf, warte!«
Rolf blieb nicht stehen, sondern setzte seinen Weg fort. Heinz holte ihn rasch ein. Sie liefen nebeneinander her.
»Was willst du?« fragte Rolf.
»Ich komme mit.«
»Wohin?«
»Auf mein Zimmer.«
»Etwa, um auch Karten zu schreiben?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Dann gehen wir gemeinsam spazieren.«
Sie blieben stehen, blickten einander an, lachten.
»Idiot!« sagte Rolf zu Heinz.
»Schafskopf!« sagte Heinz zu Rolf.
Alles war wieder im Lot.
Nachmittags am Strand sagte Heinz zu Rolf: »Ich bin überzeugt, daß sie nicht kommt.«
»Das bist du nicht!«
»Was bin ich nicht?«
»Überzeugt, daß sie nicht kommt.«
»Doch!«
»Warum liegst du dann im Sand und wartest auf
Weitere Kostenlose Bücher