Sommerliebe
… wie bitte?«
»Weil ich Sie liebe.«
»Aber … hören Sie … wir kennen uns doch kaum zehn Minuten …«
»Mich wundert das auch, Fräulein Bergmann … darf ich Ilse sagen?«
»Ja – nein – ja«, stotterte Ilse und wollte rasch wieder nein sagen, aber Heinz kam ihr schon zuvor: »Danke, Ilse. Ich heiße Heinz, wie ich Ihnen schon sagte.«
»Also, ich glaube, Sie sollten mich jetzt an meinen Tisch zurückbringen.«
»Sind Sie konsterniert?«
»Ja.«
»Warum? Was ist geschehen? Ich habe Ihnen gesagt, was ich für Sie empfinde. Ist das so etwas Entsetzliches?«
»Nach so kurzer Zeit kann das nicht Ihr Ernst sein.«
»Doch.«
»Bringen Sie mich, bitte, an meinen Tisch zurück.«
Ilse war am Rand der Tanzfläche stehengeblieben, sie hatte den Tango abgebrochen.
»Widerrufen Sie etwa Ihre Aussage«, fragte Heinz, »daß Ihnen keiner der beiden Herren irgendwie nahesteht?«
Indigniert antwortete Ilse Bergmann: »Nein – aber wenn dem so wäre, ginge es Sie doch auch nichts an.«
»Doch.«
»Warum?«
»Das habe ich Ihnen schon ein paarmal gesagt, aber Sie wollen es ja nicht hören.«
»Weil es Unsinn ist.«
»Unsinn? Für Sie scheint eine Sache unmöglich zu sein, die doch jeden Tag immer wieder auf der Welt passiert – Liebe auf den ersten Blick.«
Der Tango endete, und alle Paare verließen nun die Tanzfläche.
»Sehen wir uns morgen am Strand, Fräulein Ilse?« fragte Heinz noch rasch, ehe sie ihren Tisch erreichten.
»Nein, Herr Bartel.«
Heinz und Rolf bewohnten zwei Zimmer in einer Villa, der man es, als sie um die Jahrhundertwende erbaut worden war, nicht vorausgesagt hatte, daß sie einmal zum Teil vermietet werden würde. Sie gehörte einer Frau Maria Sneganas. Der Name deutete auf irgendeinen litauischen Vorfahren in der Ahnenreihe der alten Dame hin, die darüber nicht gerade glücklich war, da sie davon ihr Deutschtum etwas befleckt halten zu müssen glaubte.
Maria Sneganas war Witwe, und zwar schon lange. Ihr Mann hatte sie, wie sie zu sagen pflegte, ›viel zu früh verlassen‹. Er war im Fischhandel tätig gewesen.
Nach seinem Tode waren für seine Frau die Verhältnisse enger und enger geworden, bis sie sich von einem gewissen Tag an gezwungen gesehen hatte, Zimmer an Sommergäste zu vermieten. Letzteren kam oft zustatten, daß sie mit den Jahren schwerhörig geworden war, denn dadurch entging ihr so manches von dem, was auf den Zimmern bisweilen stattfand, wenn die Gäste Herren jüngeren Kalibers waren.
Auf dem Nachhauseweg vom Strandkasino zu ihrem Quartier sagte Rolf zu Heinz: »Du bist so still.«
Heinz schwieg auch daraufhin noch.
»Sprichst du nicht mehr mit mir?« fragte Rolf nach zehn weiteren Schritten.
»Doch.«
»Was ist los? Hat's nicht geklappt mit der?«
»Ich bin ein Idiot«, stieß Heinz hervor.
»Das weiß ich längst«, sagte Rolf.
»Du weißt gar nichts!« fuhr ihm Heinz über den Mund.
»Sie hat dich also abblitzen lassen; das scheint festzustehen.«
Heinz hielt an, faßte den Freund am Oberarm und drehte ihn zu sich herum. »Rolf, ich muß von allen guten Geistern verlassen gewesen sein«, sagte er.
»Wieso?«
»Ich habe der gesagt, daß ich sie liebe.«
Rolf zuckte die Achseln, grinste und meinte: »Na und? Etwas Ähnliches habe ich der meinen auch gesagt.«
»Der Unterschied ist der, Rolf, daß es mir diesmal ernst ist.«
»Was?«
»Mir ist es ernst, Rolf.«
Dr. Rolf Wendrow guckte völlig verständnislos.
»Du machst Witze, Heinz.«
»Nein.«
»Hör auf, Heinz, komm zu dir, du kannst doch nicht dem Wahnsinn verfallen sein!«
Traurig nickte Heinz Bartel. »Doch, Rolf, ich denke schon.«
»Großer Gott!« rief Rolf Wendrow in der Stille der Nacht den Allmächtigen an.
Zögernd setzte sich Heinz wieder in Bewegung. Sein Gang wirkte schleppend. Besorgt hielt sich Freund Rolf an seiner Seite.
»Als ich sie beim Tanz im Arm hielt«, bekannte Heinz, »wußte ich, daß etwas ganz Entscheidendes in meinem Leben geschehen war.«
Nun blieb Rolf stehen, obwohl sie erst wenige Schritte getan hatten, ergriff Heinz am Oberarm und sagte: »Ich mache dir einen Vorschlag …«
»Ja?«
»Wir reisen sofort ab.«
»Nein, unter keinen Umständen!«
»In Köln wirst du mir dafür dankbar sein.«
»Nein!«
»Hier läufst du doch in deinem Zustand Gefahr, daß du untergehst, Junge. Die nützt das todsicher aus.«
»Eben nicht, das ist es ja!«
Rolf schüttelte den Kopf. Das Ganze schien ihm absolut mysteriös.
»Also«, meinte er, »das
Weitere Kostenlose Bücher