Sommerliebe
Flur dem Dentisten Franz Müller, der ihnen mitteilte, sie schon gesucht zu haben. Müller machte einen quicken Eindruck, er hatte unverkennbar seine Form wiedergefunden.
»Meine Herren«, sagte er, »die Gelegenheit, mich für den netten Abend bei Ihnen zu revanchieren, ist rascher gekommen, als ich dachte. Im Strandkasino ist heute, erfuhr ich, Je-ka-mi-ma-Programm. Das reizt mich. Ich gehe hin und lade auch Sie beide dazu ein. Fräulein Albrecht sträubt sich zwar noch ein bißchen, aber sie wird ebenfalls mitkommen, dessen bin ich sicher.«
Heinz und Rolf blickten einander an. Rolf war der erste, der die Möglichkeit, die Einladung abzuschlagen, von sich wegzuschieben begann.
»Was ist Je-ka-mi-ma?« fragte er.
»Jeder kann mitmachen, so heißt das Programm. Gäste, die Talent haben – oder zumindest Mut –, können sich auf die Bühne stellen und loslegen. Es gibt sogar Preise. Das Publikum stimmt ab.«
»Preise?« fragte Rolf.
»Hundert Mark für den Sieger, fünfzig für den Zweiten, zehn für den Dritten.«
»Nicht schlecht«, sagte Rolf und sah Heinz an.
In diesem Blick kam einiges zum Ausdruck. Er enthielt eine Anfrage und zugleich eine Aufforderung, und zwar eine sehr weitgehende Aufforderung, die sich nicht etwa nur darauf beschränkte, die Einladung des Dentisten anzunehmen, sondern darüber hinaus auch eine aktive Beteiligung am Je-ka-mi-ma-Programm mit einschloß. Rolf dachte dabei nicht an sich selbst, sondern an seinen Freund Heinz, den ins Feuer zu schicken ihm vorschwebte.
Er fragte den Dentisten: »Wann geht das los, Herr Müller?«
»Um acht. Ich würde aber empfehlen, daß wir etwas eher hingehen, damit wir gute Plätze bekommen.«
»Rolf«, sagte Heinz, »ich sehe, du neigst dazu, Herrn Müllers Einladung anzunehmen. Tu das.«
Er wandte sich an den Dentisten.
»Mir persönlich dürfen Sie aber nicht böse sein, Herr Müller, wenn ich ablehne. Wir waren den ganzen Tag unterwegs. Ich bin ziemlich k.o. Außerdem habe ich noch keinen Bissen gegessen.«
»Wir trinken doch gleich Kaffee«, sagte Rolf zu ihm. »Frau Sneganas bietet dazu, wie du weißt, jede Menge Kuchen.«
»Das ersetzt kein richtiges Essen«, erklärte Heinz und veranlaßte damit den Dentisten, seine Einladung noch einmal zu erweitern. Müller sagte: »Lassen Sie auch das meine Angelegenheit sein. Ich schlage vor, wir speisen gemeinsam im Strandkasino. Dann aber schon um sieben, ja?«
Die Entscheidung war gefallen.
Herr Müller entfernte sich rasch in Richtung des Zimmers der Lehrerin Erika Albrecht, um dort seine Bemühungen fortzusetzen, mit denen er den letzten Widerstand der Dame gegen seine Einladung zum Erliegen zu bringen hoffte.
Beim Kaffee sagte Rolf zu Heinz: »Diese hundert Mark holst du dir.«
»Wie bitte?«
»Oder wenigstens die fünfzig. Ich trau dir aber den ersten Preis zu.«
»Von was sprichst du?«
»Tu nicht so, als ob du das nicht wüßtest. – Von diesem Je-ka-mi-ma-Programm.«
»Was habe ich damit zu tun?«
»Du holst dir die hundert Mark.«
»Bist du verrückt? Ich wüßte nicht, wie.«
»Mit deinem Gesang.«
Heinz ließ die volle Kuchengabel, die er gerade wieder zum Mund hatte führen wollen, sinken.
»Du bist verrückt! Schlag dir das aus dem Kopf!«
»Heinz«, bat Rolf, »wenn du's nicht für dich tun willst, dann tu's für mich, deinen Freund. Denk an unsere Finanzen.«
»Unsere Finanzen stehen kurz vor der Konsolidierung durch unsere Erzeuger … hoffe ich.«
Heinz hatte ein bißchen gezögert. Das verriet eine gewisse Unsicherheit, die von Rolf noch geschürt wurde, indem er sagte: »Wie oft sind Hoffnungen schon zerstoben, Junge? Man weiß doch nie, was dazwischenkommt. Denk an die Hoffnungen so vieler, die schon gehofft haben, daß ihre Freundinnen nicht in die Hoffnung kommen – und die enttäuscht wurden. Denk an die Hoffnung armer Sünder unter dem Galgen, daß der Strick reißen würde – er reißt nie. Und so weiter. Ich könnte noch hundert Beispiele anführen. Ist doch so, oder?«
Störrisch den Kopf schüttelnd, antwortete Heinz: »Unsere Hoffnung basiert auf Telegrammen, die wir abgeschickt haben –«
»Telegramme können fehlgeleitet werden«, unterbrach Rolf.
»Nicht bei der deutschen Post, mein Lieber!«
»Aber die Adressaten können verreist sein.«
Das war wahr, diese Möglichkeit bestand immer. Heinz konnte sie nicht rundweg von der Hand weisen, doch er konnte sie einschränken.
»Einer ja«, sagte er. »Aber nicht zufällig beide zur gleichen
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