Sommerliebe
–«
»Und Ihre Mutter nicht Geige?«
»Doch, auch, aber –«
»Und Sie können auch nicht singen?«
»Fräulein Albrecht«, wand sich Heinz, »mein Freund –«
»– sagte, daß Sie Opernpartien beherrschen. Stimmt das oder nicht?«
»Das tun doch viele, Fräulein Albrecht.«
»Was sagen Sie?«
Heinz zögerte, seine Behauptung zu wiederholen. An seiner Stelle tat Rolf das, indem er mit einem impertinenten Lächeln erklärte: »Das tun doch viele, sagte er, Fräulein Albrecht.«
»Opernpartien beherrschen?«
»Ja.«
»Ich nicht«, sagte Erika Albrecht mit Nachdruck und schloß dabei 99,99 Prozent der gesamten Menschheit mit ein.
Heinz hätte am liebsten mit der Faust auf den Tisch geschlagen, aber da das nicht ging, sagte er sittsam: »Es tut mir leid, Fräulein Albrecht, Ihnen die Augen öffnen zu müssen über das, was hier beabsichtigt wird.«
»Beabsichtigt? Von wem?«
Heinz zeigte mit speerspitzem Finger auf Rolf.
»Von ihm!«
Der Blick der Lehrerin wanderte von Heinz zu Rolf und wieder zurück zu Heinz.
»Was beabsichtigt er denn?«
»Er scheut kein Mittel, um mich dazu zu bringen, daß ich mich an diesem blödsinnigen Je-ka-mi-ma-Programm beteilige.«
Erika Albrecht zeigte sich sehr überrascht.
»Sie sollen … singen?«
Heinz drehte sein Gesicht herum zu Rolf und giftete ihn an: »Gib's doch zu, du Schurke!«
Rolf hob abwehrend die Hand.
»Zu gebe ich nur, daß dies heute schon mal meine Idee war, ja. Inzwischen habe ich die aber längst wieder aufgegeben, wie du weißt.«
» Was weiß ich?«
»Daß ich mich entschlossen habe, selbst aufzutreten.«
Heinz drehte sein Gesicht wieder herum zu Erika Albrecht.
»Ich sage Ihnen ja, er scheut kein Mittel!«
»Könnte er denn auch singen?«
»Der?!« rief Heinz, wobei seine Miene von einem einzigen Ausdruck der Verachtung geprägt wurde. »Du großer Gott!«
Mit dem Daumen auf Rolf zeigend, fuhr er fort: »O nein, er will – obwohl ich nicht weiß, was von beidem das Schlimmere wäre – Witze erzählen.«
»Witze?«
»Tünnes-und-Schäl-Witze.«
»Phantastisch!« rief Franz Müller. »Die liebe ich!« Und er legte los: »Der Tünnes steht auf einer Brücke … nein, der Schäl tut das … oder beide? Ich weiß nicht mehr. Können Sie mir helfen, Herr Doktor, als Spezialist, wie wir soeben erfahren haben?«
»Ich muß überlegen«, antwortete Rolf. »Warten Sie …«
Der Dentist blickte ihm erwartungsvoll auf den Mund, Fräulein Albrecht lächelte verbindlich, Heinz machte die Augen zu.
Sekunden später war es acht Uhr geworden, und im Strandkasino, das sich schon immer etwas auf seine Pünktlichkeit zugute gehalten hatte, setzten die Je-ka-mi-ma-Darbietungen ein.
Die Beleuchtung im Saal wurde auf halbe Stärke zurückgedreht, in einem einzigen grellen Scheinwerferkegel erschien auf der Bühne, die normalerweise der Musikkapelle vorbehalten war, der Geschäftsführer des Lokals und erklärte die Modalitäten. Da diese höchst einfach waren, hatte er sich seiner Aufgabe schon nach ganz kurzer Zeit entledigt, und es konnte losgehen.
Den Beginn machte ein älterer Herr, der davon überzeugt war, ein Zylinder, den er in der Hand schwenkte, weise ihn als Zauberer aus. Leider fehle ihm das nötige Kaninchen, sagte er, er habe ja nicht wissen können, was sich im Urlaub für ihn ergebe.
Den Zylinder hatte er sich in einem Heringsdorfer Hutgeschäft noch besorgen können, ein dressiertes Kaninchen nicht.
Als Ersatz werde er, gab er bekannt, ›die wunderbare Kugelvermehrung vorführen‹. Diese bestand dann darin, daß aus zwei Glaskugeln zwischen seinen Fingern vier wurden. Etwas Ähnliches zeigte er auch mit Spielkarten. Er machte das sogar recht geschickt, aber sowohl den Kugeln als auch den Karten fehlte so gänzlich der Reiz des Neuen.
Nach ihm trat eine Blondine mit tiefem Ausschnitt auf, der ihrem gut entwickelten Busen zustatten kam. Sie gab, als sie den Mund aufmachte, zu erkennen, daß sie vom Niederrhein stammte. Vor einer rasch herbeigeschafften Leinwand vollführte sie mit den Fingern Schattenspiele: einen Hasen, der mit den Ohren wackelte; einen Frosch, der sich aufblähte und sich wieder kleiner machte.
Das Urteil, das ihr ein Landsmann über mehrere Tische hinweg zurief, lautete: »Lecker!«
Er meinte aber ihren Busen.
Danach steppte ein Jüngling aus Diepholz einigermaßen. Er hätte es sogar noch weit besser machen können, wenn er nicht schon ziemlich betrunken gewesen wäre. Dadurch verhakten sich nämlich
Weitere Kostenlose Bücher