Sommerliebe
wurde, wurde Ilse immer kühler und beherrschter.
»Mich selber hören können«, wiederholte Heinz. »Was habe ich denn gesagt? Daß die Partie in Polen entschieden ist! Zu unseren Gunsten! Und zwar rascher, als wir alle dachten! Die Welt staunt! Unsere Soldaten haben gesiegt – blitzartig! Und darüber soll ich, das verlangst du anscheinend von mir, weinen?«
Ilse sah ihn stumm an. Dann nahm sie, immer noch schweigend, ihren Weg wieder auf, zusammen mit Heinz, der lieber noch länger stehengeblieben wäre, dem aber nichts anderes übrigblieb, als sich an ihrer Seite zu halten.
»Warum sagst du nichts?« fragte er sie.
»Dazu«, erwiderte sie, »kann ich nichts sagen – höchstens nur noch einmal: Du müßtest dich selber hören.«
»Hättest du es denn lieber, wenn unsere Feinde siegen würden?«
»Nein.«
»Na also, was willst du dann?«
Was ich will? fragte sich Ilse selbst. Ich will natürlich nicht, daß unsere Feinde siegen. Ich will aber auch nicht, daß sie verlieren und vernichtet werden. Daraus geht eindeutig hervor, was ich überhaupt will – daß kein Krieg geführt wird! Ja, das will ich! Kein Krieg!!
Plötzlich aber wurde ihr klar, welcher Wahnsinn dieses Gespräch zwischen ihr und Heinz war, wenn sie an 17 Uhr 23 dachte. Die Minuten rannten dahin, und keine derselben konnte angehalten oder gar zurückgeholt werden. Ilse sagte entschlossen: »Lassen wir das, wir haben zuwenig Zeit, Heinz, ich möchte von dir lieber etwas anderes wissen …«
»Was?«
»Wie du den Mann im Mond getauft hast?« sagte sie lächelnd.
»Gar nicht«, mußte er gestehen, und als sie ein enttäuschtes Gesicht machte, setzte er hinzu: »Weißt du, ich hatte nach deiner Abreise keine einzige Stunde mehr für mich allein, in der ich hätte nachdenken können. Rolf ließ mich nicht in Ruhe, du kennst ihn ja. Ständig war er bemüht, mir, wie er sich ausdrückte, den Abschiedsschmerz von dir auszutreiben. Er wollte mich eben auf andere Gedanken bringen.«
»Seid ihr ausgegangen?«
»Ausgegangen? Nein. Wohin denn?«
»In die Excelsior-Bar.«
»Ohne dich? Nein.«
»Es gibt doch Mädchen wie Sand am Meer.«
»Aber keines wie dich.«
Ilse strahlte.
»Du warst mir also treu?«
»Ja«, sagte er mit fester Stimme.
Ilse blieb stehen, umarmte ihn, küßte ihn, preßte sich an ihn, küßte ihn wieder, und er kam sich sehr, sehr schlecht dabei vor.
Dieses Gefühl wich erst wieder einem anderen, als er Ilse jene Frage stellte, mit der sie schon die ganze Zeit rechnen mußte. Sie galt ihrem Verlobten.
»Hast du schon mit ihm gesprochen, Ilse?«
»Ja, er kommt ja fast täglich zu uns.«
»Und? Was hat sich ergeben?«
Ilse atmete tief ein. Das, was sie ihm jetzt sagen mußte, war nicht so einfach.
»Heinz, du wartest darauf, daß ich dir sage, mein Verlöbnis sei gelöst.«
Sofort erwachte sein Mißtrauen.
»Ist es das nicht?«
»Nein.«
»Und … und warum nicht?« fragte er mit rauher Stimme.
Ilse hob beide Hände und ließ sie hilflos wieder fallen.
»Es bot sich einfach keine Gelegenheit dazu.«
»Wieso nicht? Du hast doch mit ihm gesprochen, sagtest du?«
»Aber nicht darüber.«
»Worüber dann? Gibt es etwas Wichtigeres?«
Abermals atmete Ilse tief ein.
»Heinz«, sagte sie eindringlich. »Heinz, du mußt das verstehen! Ich komme aus dem Urlaub zurück, er ist selig, mich zu sehen, er strahlt vor Glück, er macht mir ein sehr, sehr aufmerksames Geschenk, er könnte gar nicht netter sein – und du erwartest von mir, daß ich ihm quasi das Herz aus dem Leib reiße. Am ersten Tag schon.«
»Mir hätte auch der zweite oder dritte Tag genügt«, sagte Heinz bitter.
Ilse seufzte.
»Heinz, ich weiß nicht, warum du es mir so schwer machst. Wenn du dir ein bißchen Mühe geben würdest, könntest du dich in mich hineindenken.«
»Nein.«
»Es war doch fast immer auch meine Mutter dabei.«
Heinz entschloß sich, klare Fronten zu schaffen. Er blieb stehen.
»Liebst du mich, Ilse?«
»Ja, das weißt du doch.«
»Du liebst aber auch ihn?«
»Nein, für ihn hege ich ein anderes Gefühl. Es ist keine Liebe mehr, aber es ist ein Gefühl, das noch absolut dazu ausreicht, ihn nicht so zu behandeln, wie du es von mir verlangst. Ich käme mir sehr, sehr unanständig vor. Sehr schlecht!«
»Aber einmal mußt du ihm reinen Wein einschenken.«
»Das werde ich auch tun – nur nicht von heut auf morgen.«
Heinz preßte die Lippen zusammen, er zwang sich zum Schweigen. Was er gern gesagt hätte, hätte ihm
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