Sommermond
noch sein mit Dreck verschmiertes Gesicht sehen.
Der Kerl nahm etwas aus der Tasche und presste es in Alex‘ Rücken. Der Blonde erkannte, dass es der Lauf einer Pistole war.
„Wag es bloß nicht!“, hauchte ihm der Typ ins Ohr. Mit einem leisen Klicken entriegelte er die Waffe.
Alex starrte panisch zur Elbe. Sein Fuß schmerzte und seine Atmung funktionierte nur stockend. Er zitterte am ganzen Körper und wagte es nicht, sich zu bewegen. Stocksteif stand er da und hoffte, dass nichts schiefgehen würde.
Das alte Ehepaar kam langsam auf sie zu. Alex atmete schwer. Der Typ zerrte ihn noch dichter an sich heran und drehte ihn aus der Sichtweite der Fußgänger. Als die beiden schließlich an ihnen vorbeigingen und sich dabei über irgendeine Geburtstagsfeier unterhielten, machte sich Alex‘ Mund selbstständig. Er holte Luft und wollte gerade losschreien, als ihm der Typ sofort eine Hand auf die Lippen presste und ihn damit zum Schweigen brachte. So brachte Alex nicht mehr als ein leises Wimmern hervor.
Das alte Ehepaar war zu sehr in ihr Gespräch vertieft. Sie schöpften keinen Verdacht. Stattdessen führten sie ihren Weg freudig fort.
„Dein Glück …“, meinte der Kerl hinter Alex, als die Fußgänger einige Meter entfernt waren. „Oder wolltest du, dass wir sie umbringen?“
Alex traute seinen Ohren nicht. Er versuchte unter der kalten Hand zu antworten, brachte aber lediglich ein paar unartikulierte Laute hervor. Dann wurde die Hand wieder von seinen Lippen genommen.
„Du wirst jetzt erst mal mitkommen“, meinte der Typ mit der Narbe. „Verstanden?“
Er sprach einwandfreies Deutsch, schien aber spanischer Herkunft zu sein. Vermutlich arbeitete er schon lange mit dem Spanier zusammen, dem Alex das Geld schuldete.
Die beiden Komplizen waren deutsch und ähnelten in ihrer Statur erfahrenen Türstehern. Der Spanier schubste Alex in ihre Arme und ging schließlich voran. Die beiden packten Alex an den Oberarmen und zerrten ihn mit sich. Anfangs wehrte er sich noch, versuchte sich mehrfach loszureißen und gegen die Kraft der Kerle anzukommen. Doch schon nach wenigen Sekunden gab er auf und fügte sich seinem Schicksal. Mit starken Schmerzen humpelte er zwischen den kräftigen Kerlen. Sein Kopf war leer. Er kam sich wie jemand vor, der zu seiner eigenen Hinrichtung geführt wurde. Wie jemand, für den es keine andere Wahl mehr gab, als sich selbst aufzugeben und andere alles mit sich machen zu lassen.
Mit jedem neuen Schritt gab sein Fuß mehr nach. Zum Schluss kam er nicht länger gegen die Schmerzen an, setzte den Fuß nicht mehr richtig auf und ließ sich stattdessen die letzten Meter bis zum Wagen schleifen. Der Motor war noch an. Alex versuchte ein Blick auf das Kennzeichen zu erhaschen, doch die Ziffern und Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Der Typ mit der Narbe riss die Beifahrertür auf, beugte sich in das Wageninnere und murmelte etwas zum Fahrer. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er ein weißes Taschentuch in der einen und ein braunes Fläschchen in der anderen Hand. Alex‘ Angst nahm sofort ein neues Ausmaß an. Ein letztes Mal stieg der Überlebenswille in ihn zurück und trieb ihn zu unzähligen Versuchen an, sich loszureißen. Doch es gelang ihm nicht.
„FUCK!“, brüllte er. „FUCK! WAS WOLLT IHR?“
„Pscht …“, machte der Typ mit der Narbe und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. Er blickte Alex fest in die Augen. Dann schraubte er das kleine Fläschchen auf, drückte das Taschentuch auf die Öffnung und drehte beides an einem Stück herum.
„Wir wollen dir nicht wehtun“, sagte er dazu und klang wie ein Wahnsinniger, der seinen Morden einen guten Grund zuschrieb. „Du sollst dich nur etwas ausruhen und …“, Er drehte die Flasche wieder um, schraubte den Verschluss zu und ließ sie in seine Jacke rutschen. „… nicht mitbekommen, wohin unsere kleine Reise geht.“
Alex riss seine Augen weit auf. Etwas entfernt fuhren noch immer Autos über die Straße, die mit ihren unschuldigen Insassen nichts von dem ahnten, was sich gerade hier abspielte.
Der Griff der korpulenten Kerle wurde noch einmal fester, als sich der junge Spanier samt ausgebreitetem Taschentuch auf ihn zubewegte.
„NEIN!“, schrie Alex, hing zwischen den beiden Komplizen und trat wild um sich. „NEIN!“
Er wollte um Hilfe schreien, doch dafür blieb ihm keine Zeit. Der Typ mit der Narbe trat einen letzten Schritt auf ihn zu, hob das Taschentuch auf Augenhöhe und presste es Alex
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