Sommernachtsgeflüster
festgelegt hatte.
Er stand an der Bar und unterhielt ein paar junge Männer mit irischen Scherzen. »Hallo, Thea! Hier bin ich! Was möchtest du trinken?«
»Wenn du mich einlädst, einen Doppelten.«
»Natürlich lade ich dich ein. Jimmy, einen doppelten Paddy für die Dame.«
Thea überlegte kurz, ob sie nicht lieber Mineralwasser trinken sollte, kam aber zu dem Schluss, dass es nicht schaden konnte, sich ein wenig Mut anzutrinken. »Rory«, begann sie entschlossen, nachdem sie sich für den Whiskey bedankt hatte, »ich muss mit dir reden. Können wir uns setzen?«
»Ich denke doch, Thea. Aber ich glaube nicht, dass dir gefallen wird, was ich dir zu sagen habe.«
»Vermutlich nicht, doch ich muss es trotzdem versuchen. Ich muss versuchen, dich dazu zu bringen, das einzig Richtige zu tun. Willst du denn wirklich, dass Veronica, die deiner ersten Ausstellung den Garaus gemacht hat, die Anerkennung dafür erntet, dich entdeckt zu haben?«
»Das würde ich nicht, wenn es so gewesen wäre. Aber sie meint, sie hätte immer an mir festgehalten. Sie meint, sie hätte alle und jeden davon zu überzeugen versucht, mich wieder auszustellen.«
»Und, glaubst du ihr?«
»Ich muss ihr glauben. Sie hat mir eine Ausstellung in einer der besten Galerien Londons verschafft. Edward hat eine Retrospektive eines wirklich berühmten Künstlers dafür abgesagt.«
Warum hatte Edward ihr das nicht erzählt, als sie darüber gesprochen hatten, wer das größere Recht auf Rory hatte? Verschwieg Edward Thea etwas? Oder belog Veronica Rory? »Weißt du, um wen es sich handelt?«
Rory schüttelte den Kopf. »Das habe ich vergessen. Irgendjemand, der furchtbar wichtig ist. Ich muss mal zeitgenössische Künstler büffeln. Ich weiß gar nichts über sie.«
Thea lächelte, aber sie war nicht wirklich heiter. »Du musst Edward so bald wie möglich danach fragen. Falls du gezwungen sein solltest, einen Vortrag darüber zu halten.«
»Das war ein Tiefschlag, Thea.«
»Den hast du verdient.« Es war nicht so sehr ein Schlag als ein Hinweis. Wenn Rory mit Edward sprach, begriff er vielleicht, dass nicht alles, was Veronica ihm erzählte, der Wahrheit entsprach. Sie versuchte noch einmal, an seinen Sinn für Fairness zu appellieren. »Ich kann dich also nicht überreden, das einzig Richtige zu tun?«
»Nicht, wenn mir mein Leben lieb ist. Veronica würde mich umbringen, wenn ich jetzt meine Meinung änderte, nachdem sie solche Schwierigkeiten auf sich genommen hat, um mich Edward vorzustellen und die Ausstellung einzufädeln.«
»Ach! Und du hast keine Angst, dass ich dich umbringen könnte? Aus dem gleichen Grund? Bloß dass es in meinem Fall eigentlich kein Mord sein würde, sondern ein Totschlag, den man rechtfertigen könnte! Ich habe mein eigenes Geld, Mollys Geld und meinen Schweiß in die Galerie investiert! Wochenlang hart gearbeitet! Ganz zu schweigen davon, dass ich mich um deinen Hund und deine Welpen gekümmert habe, sodass du nach London fahren und mich auf Grund laufen lassen konntest!«
»Nein«, widersprach er schlicht und einfach und wenig beeindruckt. »Weil du jemand bist, der so etwas nicht tut. Du würdest nicht genug Bosheit aufbringen, um auch nur die Teegesellschaft eines Vikars zu stören, geschweige denn die Karriere eines anderen Menschen zu vereiteln. Selbst wenn ich zufällig dieser andere Mensch bin. Veronica hingegen würde keine Sekunde zögern.«
»Ich könnte es vielleicht lernen«, grummelte sie und hoffte, es wäre wahr.
Rory streckte die Hand aus und umfasste ihr Kinn. Die Hand fühlte sich warm, tröstlich und Vertrauen erweckend an, ganz anders als ihr Besitzer. »Nein, das kannst du nicht. Und deswegen liebe ich dich.«
Erschreckt sah sie ihm in die Augen.
»Ich meine ›Lieben‹ im weitesten Sinne«, fügte er hinzu. »Ich fürchte, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir beide ein schönes Paar sind, dem es bestimmt ist, nicht zusammenzufinden. Aber mach dir keine Sorgen, mir hat es nicht vollständig das Herz gebrochen.«
Thea spürte, wie ihr plötzlich Tränen in die Augen traten, und biss sich auf die Lippen. Sie war müde und hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden zu viel erlebt. Die Verzweiflung, die sie mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, in Schach gehalten hatte, schien sie jetzt zu überwältigen. Sie nahm einen großen Schluck Whiskey. »O Gott«, murmelte sie so leise, dass er es nicht hören konnte. »Ich wünschte, ich könnte das Gleiche
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