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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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einfach mit Leonie zu Hause lassen und in Urlaub fahren. Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu spießig.
    Leonie lässt ihren Blick durchs Zimmer schweifen, als suche sie etwas, das Nadia angerichtet oder verändert haben könnte. Offenbar findet sie nichts. Lächelnd sinkt sie aufs Bett und sieht mich an. »Also, jetzt bist du wieder da.«
    Ich nicke.
    »Und, wie ist es?«, will sie wissen.
    Ich setze mich neben sie auf das weiche Bett und zucke die Schultern. »Na ja. Ich würde so gern die Zeit zurückdrehen und alles wäre wie damals. Und… ich kann es nicht fassen, dass ich Maurice…« Das schreckliche Wort kann ich nicht aussprechen. »Ich hab noch nie jemanden so, so…«
    »Geliebt?«, spricht Leonie aus, was ich nicht sagen kann.
    Ich nicke nur.
    Sie seufzt und sieht mich traurig an. »Sag mal…«
    »Ja?«
    »Bist du ganz sicher, dass du übermorgen zur Party gehen willst?«
    »Ja, deshalb bin ich doch hergekommen!«
    Ob ich will oder nicht, ich MUSS. Ich muss mich erinnern, damit ich endlich wieder mein Leben leben kann. Ich muss einfach aus diesem Gedankenkarussell ausbrechen. Was hat mich so wütend gemacht, dass ich die Nerven verloren habe? Was hat er gesagt? Getan? Ich will aus diesem Nebel herausfinden.
    »Aber du hast doch was von Schutzmechanismus der Seele gesagt. Hast du keine Angst, dass irgendwas passieren könnte?«
    »Was?«
    »Na ja, ein Zusammenbruch oder so.«
    Ja, klar, denke ich, zucke aber die Schultern.
    Skeptisch betrachtet Leonie mich. »Hast du denn gar keine Angst, wie die anderen reagieren, wenn sie dich wiedersehen?«
    »Ein bisschen«, gebe ich zu, »aber das halt ich schon aus.«
    Etwas in Leonies Gesicht verrät mir, dass es komplizierter ist.
    Ich verstehe. Ich trage ein Stigma, unübersehbar groß und deutlich, mitten auf der Stirn.
    Leonie lehnt sich zurück, stützt sich mit einer Hand aufs Bett und spielt mit der anderen an ihren Haarsträhnen. Eine alte Gewohnheit.
    »Sag mal«, sagt sie schließlich, »warum willst du ausgerechnet bei der Sommerparty dabei sein?«
    »Aber das hab ich dir doch gesagt. Ich will mich erinnern, deshalb will ich alles, na ja, so weit es eben irgendwie geht, noch einmal so erleben. Die Party am See, das Bootshaus…«
    Über Leonies Gesicht fliegt ein Schatten, nur ganz schnell und kurz, dann lächelt sie wieder. »Erinnerungen tun immer weh, glaub mir.«
    »Hast du das irgendwo gelesen?«, frage ich, worauf sie wissend lächelt.
    »Nein, das ist meine eigene Lebensweisheit.« Ihr Blick wird wieder ernst. »Weißt du, man hat immer zwei Möglichkeiten.«
    »Und die wären?«, frage ich.
    »Entweder siehst du zurück oder du siehst nach vorn.« Schulterzuckend fügt sie hinzu: »So einfach ist es. Du kannst ewig in der Vergangenheit wühlen, dich vor Selbstmitleid zerfleischen, dich in Schuldgefühlen suhlen. Aber: dabei verpasst du dein Leben.« Sie lächelt. »Sieh nach vorn, vergiss endlich alles, Ziska! Es war eben ein… ein Unfall!«
    Sie will mich aufmuntern, aber ich will mich nicht aufmuntern lassen. Ich will noch einmal durch die Hölle gehen, bevor ich vielleicht anfangen kann zu vergessen. »Ich werde es versuchen. Später«, erwidere ich.
    Sie schnipst mit dem Finger ihre Haarsträhne weg. »Glaub mir, es ist das Beste. Und du bist nicht die Einzige, die… die in so was… na ja, reingeraten ist. Du hast es ja nicht absichtlich gemacht. Es ist halt passiert. Himmel! Es passiert so vieles!«
    »Leonie, ja. Aber…«
    »Aber was?«
    »Aber… es ist nicht so leicht, wenn du selbst betroffen bist.«
    Sie seufzt. »Wer hat gesagt, dass es leicht ist, Ziska?« Ihr Augenaufschlag ist filmtauglich. Wie früher schon. »Und jetzt komm, Maya und Vivian können es gar nicht abwarten, dich endlich wiederzusehen.« Sie lächelt mich an und erhebt sich vom Bett.
    »Leonie?«
    Sie dreht sich um und zieht ihre Brauen hoch. »Was?«
    »Und ihr steht immer noch zu mir, obwohl…« Obwohl ich Maurice umgebracht habe – wieso nur kann ich diese Worte noch immer nicht aussprechen? »… ich so etwas getan habe?«, bringe ich den Satz schnell zu Ende.
    Über ihr Gesicht zieht ein Lächeln. »Ach, Ziska! Weißt du, in so eine Situation kann jeder kommen! Unglückliche Umstände, wer weiß…« Sie schüttelt den Kopf und hakt mich unter. »Ziska, es ist Zeit, dass du endlich kapierst, dass du unsere Freundin bist! Egal, was passiert ist. Und jetzt Schluss mit dem Quatsch! Du glaubst gar nicht, wie wir uns alle freuen, dass du die Sache hinter dir

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