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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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schlug ich mit der Faust auf die Kühlerhaube. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich war doch total blöd! Wie hatte ich mich nur auf so was einlassen können?
    Ich tastete mich am Auto bis nach hinten. Der Baumstamm war tief in die Stoßstange und in die Heckklappe eingerammt. Mein Vater würde ausrasten! Was sollte ich meinen Eltern bloß erzählen?
    Mir war immer noch schlecht und alles drehte sich. Nein, selbst jetzt konnte ich noch nicht nach Hause fahren. Ich suchte im Auto nach meinem Handy, es musste mir aus der Hosentasche gefallen sein. Ich konnte es nicht finden. Erschöpft ließ ich mich ins taufeuchte Gras sinken und lehnte mich gegen die Fahrertür. Und jetzt? Sollte ich hier warten, bis Spaziergänger vorbeikämen – oder die Polizei?
    Keine Ahnung, wie lange ich so dasaß und die Gedanken wie Teig in meinem Kopf herumknetete. Bis ich es nicht mehr aushielt, mich hinters Steuer setzte, die Kupplung trat, den Gang herausnahm, den Motor anließ, den ersten Gang einlegte und das Auto ruckend vom Baumstamm löste. Tatsächlich schaffte ich es, erneut den Rückwärtsgang einzulegen und zum Parkplatz zu zuckeln. Jetzt wäre es nicht mehr allzu schwer, nach Hause zu fahren – dachte ich zumindest. Doch als ich an der Einmündung zur Straße stand, musste ich mir eingestehen, dass es sehr wohl schwerer war als angenommen, denn nun fuhren dort Autos und Lastwagen entlang. Meine Hände wurden feucht und ich starrte wie benommen auf den Verkehr, der an mir vorbeirauschte. Doch ich hatte keine andere Wahl. Ich müsste einfach nur eine ziemlich große Lücke abwarten. Und wenn ich den Motor genau beim Einfahren abwürgen würde…?
    Mach schon, redete ich mir zu, es klappt bestimmt.
    Ich schaffte es tatsächlich. Hinter einem weißen Lieferwagen kam erst mal kein weiteres Auto. Ich gab Gas. Zu viel, der Motor heulte auf und ich schoss auf die Fahrbahn. Egal. Ich hatte es wenigstens geschafft. Und jetzt einfach ruhig weiterfahren, sagte ich mir. Zweiter Gang, dritter Gang. Das gelbe Ortsschild von Kinding kam mir vor wie ein Rettungsanker, doch kaum zwei Sekunden später wurde mir klar, dass ich gleich meinen Eltern gegenübertreten müsste. Es war das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, dachte ich.
    Aber es kam schlimmer.
    Ich sah es gleichzeitig: Das gelb-grüne Schild unserer Tankstelle und das weiß-grüne Polizeiauto in der Einfahrt.
    Was dann kam, erlebte ich wie in einem Albtraum.
    Fahren unter Alkoholeinfluss, minderjährig, außerdem ohne Führerschein. Das hätte schon für Jugendarrest gereicht.
    Ich hatte Glück, einfach Glück. Der zuständige Richter ließ Gnade vor Recht ergehen und verdonnerte mich zu Sozialstunden, zwei Nachmittage in der Woche Dienst im Altenheim.
    Er ahnte wohl, dass ich andere schützte, denn ich nahm alles auf meine Kappe. Und meine Eltern gaben es irgendwann auf, mich mit Fragen zu löchern.
    Zwei Tage blieb ich zu Hause. Keine der drei rief mich an und fragte nach mir. Es kam mir vor, als hätte ich selbst die Idee zu dieser Mutprobe gehabt. Als ich dann wieder in die Schule ging, waren Maya, Leonie und Vivian sofort an meiner Seite – und sie waren ziemlich nervös.
    »Was hast du denen erzählt?«, wollte Leonie noch vor der ersten Stunde wissen. Da merkte ich, dass sie totale Angst hatte, ihre Eltern könnten etwas davon erfahren. Aber auch Vivian und Maya verhielten sich mir gegenüber anders. Längst nicht mehr so überlegen.
    Ich zuckte die Schultern. »Nichts.«
    Erst als tatsächlich keine von ihnen Besuch von der Polizei bekam, glaubten sie mir endgültig, dass ich sie nicht verraten hatte.
    Ich war aufgenommen.

9
    »Ziska?«
    Mein Name dringt aus einer fernen Galaxie zu mir. »Du hast vielleicht einen gesunden Schlaf! Lernt man das im Gefängnis?« Es ist das Wort Gefängnis, das mich hochschrecken lässt. Das Erste, was ich sehe, ist eine weiße Zimmerdecke. Dann registriere ich Schwindel und grausame Kopfschmerzen.
    »He, du musst nicht gleich aufspringen!« Leonies Stimme.
    Oh Gott, bitte nicht, bitte lass mich nicht in einem Krankenhaus aufwachen! Ich versuche, meine Füße, Beine, dann meine Arme und Hände zu bewegen. Alles funktioniert. Kein Unfall. Keine Querschnittslähmung. Kein Gehirnschlag. Wie eine Checkliste gehe ich alle Möglichkeiten durch, bis ich mich an den verdammten Eistee erinnere.
    »Du warst plötzlich k. o.« Leonie schüttelt den Kopf. »Und dann hast du selig wie ein Baby die ganze Nacht geschlafen, bis jetzt. Es ist schon

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