Sommernachtszauber
…«
Leider war es kaum möglich, auf einen Sonntag im Barmy Cow seelisch vorbereitet zu sein.
Düster, feuchtwarm, von grauer Kaminasche verräuchert und merkwürdig nach Brillantine und Moder riechend, war der Pub voll mit verdrießlichen Gästen, die vor trüben Getränken hockten.
Die Berkeley Boys standen wie immer in Reih und Glied hinter der Theke. Ihr Sonntagsgewand bestand aus nicht mehr ganz weißen Herrenhemden mit ungebügeltem Kragen und zweifelhaften Flecken, schlaff herabhängenden Pünktchenkrawatten und schlammfarbenen Strickwesten, an denen ein Großteil der Knöpfe fehlte. Kein schöner Anblick.
»Sukie!« Valerie Pridmore, im Kreis ihrer großen Familie, winkte Sukie von der Ecke mit der Dartsscheibe aus begeistert zu. »Huhu!«
Sukie winkte zurück. Derry ebenfalls. Val blies ihm einen Kuss zu.
»Kennst du Val?«, fragte Sukie, als sie an den Tresen traten.
»Nein. Hab sie noch nie im Leben gesehen. Wollte nur nett sein.« Derry sah sich mit reichlich ungläubigem Blick im Pub um. »Also – das ist ja – hm – interessant … Und -«, da fiel sein Blick zum ersten Mal auf die alten Knaben, »- au Backe!«
Sukie unterdrückte das Kichern und strahlte Dorchester Berkeley an. »Hallo, fesch seht ihr heute aus. Wir hätten gern ein Pint und ein Halbes vom Bier des Tages.«
Derry sah beeindruckt aus. »Das klang ja ganz nach Dame von Welt. Woher wusstest du, dass ich gern Bier trinke?«
»Wie? Ach, hier hat man gar keine andere Wahl. Und Empfehlung des Tages ist jeweils das Bier, das im Fass noch nicht ranzig geworden ist. Von Flaschenbier oder Brauerei-Erzeugnissen nach neunzehnhundertfünfundfünfzig haben die hier noch nie was gehört.« Auf der Suche nach Topsy spähte Sukie durch den düsteren Dunst und musterte die herumhockende Kundschaft. »Da ist sie ja. Dort drüben. Sie hat uns noch nicht bemerkt.«
Savoy und Hilton drängten sich um den Zapfhahn, um jeder ein Glas einzuschenken, und lächelten Derry verzückt an. Es war ihm hoch anzurechnen, dass er tapfer zurücklächelte.
»Haben Sie hier noch nie gesehen.« Claridge beugte sich über den Tresen. »Sind Sie Sukies Verlobter?«
»Nein, ist er nicht«, sagte Sukie rasch und schob das Geld über die Theke, bevor Derry bezahlen konnte. »Nur ein guter Freund.«
»Ach ja?« Derry hob sein Glas. »Wie schön. Danke, Sukie. Und das hier«, er grinste zu Hilton hinüber, »sieht aus wie ein prima Bier.«
»Ist es auch, junger Mann«, keuchte Hilton beglückt. »Eine vollendete Mischung aus Hopfen, Malz und Quellwasser. Wie schön, wenn junge Leute noch wahre Werte zu schätzen wissen.«
»Heuchler«, zischte Sukie ihm zu, während sie zu einem leeren Tisch gingen. »Das Zeug sieht aus wie Schlammbrühe. Und bestimmt schmeckt es, als wär es nicht von dieser Welt.«
»Himmlisch?«
»Lass dich überraschen.«
Wenn es einem gelang, über die Schmuddeligkeit hinwegzusehen, war das Barmy Cow gar nicht so scheußlich, dachte Sukie. Offenbar zumindest nicht für die zahlreichen einsamen Bewohner von Bagley, die hier Zuflucht suchten. Topsy saß mit einigen anderen älteren Leuten bei einem lebhaften Kartenspiel zusammen. Sie hatte die beiden immer noch nicht gesehen, und Sukie beschloss, sie noch eine Weile in seliger Unwissenheit zu lassen.
Es musste schrecklich sein, wurde Sukie auf einmal bewusst, wenn man so alt war und alle Leute, die man gekannt und geliebt hatte, schon tot waren, sodass man sich mit der Gesellschaft derjenigen begnügen musste, die noch übrig waren.
»Alles in Ordnung?« Derry beugte sich zu ihr hinüber.
»Ja, ja, alles bestens, danke. Ich dachte nur gerade übers Altwerden und Alleinsein nach.«
»Auch eine nette Sonntagsbeschäftigung!« Derry nippte an seinem Bier und schluckte tapfer. »Uh, was das Bier betrifft, hattest du recht. Ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Also, wolltest du schnurstracks zu Topsy hinübergehen und sie bitten, sich hier von dir massieren zu lassen, oder was? Wir haben noch gar keinen Schlachtplan entwickelt.«
»Ist auch nicht nötig.« Sukie beobachtete, wie die winzige Schaumkrone auf ihrem Bier zu kleinen Fettaugen zusammenschrumpfte. »Topsy steht auf alles, was mit Medizin zu tun hat, du wirst schon sehen. Sie sieht richtig vergnügt aus.«
Derry nickte. »Ist sie wohl auch. Ging dir das vorhin durch den Kopf? Dass Topsy alt und allein ist?«
»Ja … und dass wir uns unsterblich fühlen, solange wir jung sind. Ich meine, für uns sind das einfach nur alte Leute,
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