Sommernachtszauber
morgendlichen Kaffeeklatschstündchen erzählt, dass Sukie am letzten Sonntag Topsy Turvey im Barmy Cow massiert hatte und dass das ganz wundervoll gewesen sei. Außerdem hatte Valerie behauptet, dass zwischen Topsy und dem ebenfalls schon älteren Dorchester Berkeley etwas sehr Merkwürdiges und Wundersames vorgegangen sei, aber Joss nahm an, dass Val wohl eher zu viel von den im Barmy Cow ausgeschenkten zweifelhaften Getränken genossen hatte.
Also – Joss sah sich in dem makellos aufgeräumten und sterilen Bungalow um – alles erledigt. Nun brauchte sie nur noch den Autoschlüssel zu nehmen, denn aufgrund von Valeries Cancan-Verletzung konnten sie nicht zu Fuß durchs Dorf laufen, und schon konnte es losgehen.
»Bist du bereit?« Schnaufend ließ Valerie sich auf dem Beifahrersitz nieder. »Und gewillt, alle Hüllen fallen zu lassen?«
»Voll und ganz!«, antwortete Joss fröhlich, und dann fuhren sie aus der säuberlich gepflegten Siedlung The Close in das Gewirr der von Bäumen gesäumten Dorfstraßen hinaus. »Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal ›eine Stunde für mich‹ hatte, wie das in den Zeitschriften immer heißt.«
»Du armes Schwein«, sagte Valerie liebevoll. »Es ist auch ein richtig schöner Tag dafür, findest du nicht?«
Joss nickte. Allerdings. Das Wetter passte genau zu ihrer Stimmung. In dieser Woche waren Düsternis und Regen und scharfer Wind auf einmal gewichen und der Frühling hatte in Bagley-cum-Russet Einzug gehalten.
Heute schien die Sonne von einem glasklaren Himmel, trocknete den aufgeweichten Boden und hüllte das Dorf in einen warmen, milchigen, erdigen Dunst. Wie von Zauberhand waren aus der unwirtlichen grauen und aufgeweichten Erde zahlreiche Blumen zum Vorschein gekommen, und überall entfalteten sich winzige grüne Triebe.
Der Frühling bringt neues Leben, dachte Joss vergnügt, als sie sich der Kreuzung von Bagley-cum-Russet näherten und bei dem keltischen Kreuz anhielten, er bringt neue Erfahrungen und neue Gelegenheiten. Der Frühling beflügelte ihren Optimismus jedes Jahr aufs Neue, und sie fand immer, dass die Heiden ganz recht daran getan hatten, den Beginn eines neuen Jahres im Frühling zu feiern. Es machte Sinn.
Valerie drehte sich unterwegs immer wieder auf ihrem Sitz um und winkte den Bewohnern von Bagley majestätisch zu. »Ich freu mich sehr auf die Massage – nicht nur, um wieder auf die Beine zu kommen, es gibt auch jede Menge interessanter Klatschgeschichten. Topsy und Dorchester sollen sich am Sonntag ja direkt aufgeführt haben wie Charles und Camilla, und außerdem war die kleine Sukie zusammen mit Derry Kavanagh unterwegs. Kennst du Derry? Er hat die Tischlerei in Winterbrook und ist unglaublich sexy.«
»Hm, ja …« Joss nickte und versuchte sich zu erinnern, was Val ihr beim morgendlichen Kaffeeklatsch über Derry Kavanagh erzählt hatte. »Ach ja, hast du nicht gesagt, er ist mit Sukies Untermieterin zusammen?«
»Stimmt genau!«, antwortete Val triumphierend und grüßte mit königlicher Würde die Ansammlung schwatzender Dorfbewohner, die vor Coddles in der Sonne herumstanden. »Wenn er mit dieser piekfeinen Milla geht, was hat er dann mit Sukie im Pub zu suchen? Das möchte ich doch gern wissen.«
Joss verlangsamte die Fahrt, um sich in der engen Straße, die zu Pixies Laughter führte, besser konzentrieren zu können. Ihr war es herzlich egal, warum man Derry und Sukie zusammen gesehen hatte, aber es machte einfach Spaß, sich auf derlei unbekümmertes Geschwätz einzulassen.
»Pass auf!«, schrie Valerie plötzlich und packte Joss am Arm. »Der fährt ja wie irre!«
Joss stieg mit aller Kraft auf die Bremse, der andere Wagen raste mit Vollgas auf sie zu, scherte erst im letzten Moment aus und verfehlte sie nur um Haaresbreite.
»So ein Idiot!« Joss hatte wildes Herzklopfen, ihr Mund war trocken, und Adrenalin jagte die Botschaft »Kampf oder Flucht!« durch ihren Körper. »Der muss gerade von der Hassocks Road gekommen sein und hatte mindestens hundert Sachen drauf! Alles in Ordnung, Val?«
Valerie nickte, lockerte ihren Sicherheitsgurt und spähte über die Schulter nach hinten. »Ja, aber … hast du den Fahrer gesehen? Ich hätte schwören können, das war dein Marvin.«
»Nein, das ist völlig unmöglich.« Joss fuhr vorsichtig weiter, sie war nach dem Beinahe-Zusammenstoß immer noch ganz zittrig. »Der ist in London, bei der Arbeit. Es gibt ja viele solcher Autos, wie er eins hat, und
Weitere Kostenlose Bücher