Sommerrot
so recht aus meiner Kehle.
« Hat er dir etwas angetan?», fragt sie weiter, um mir den Einstieg zu erleichtern.
« Nein, nicht direkt.», antworte ich heiser. «Es ist kompliziert.»
« Lena, als ihr so zusammen getanzt habt, das war die Leidenschaft pur! Es gab kaum jemanden im Raum, der euch nicht neidisch zugesehen hat. Es sah aus, als wärt ihr beide kurz davor, zu verschmelzen.»
Ich senke den Kopf und werde rot. Mira l ächelt, aber das sonst schelmische Grinsen bleibt aus, angesichts meiner Traurigkeit.
« Du bist also wirklich gekommen! Und er?»
Ich zucke mit den Schultern.
«Ich glaube nicht, aber er war ziemlich... hart!»
« Und was ist dann schief gelaufen?»
« Ich kann es mir selbst nicht erklären, es ist als hindere ihn etwas, mit mir zusammen zu sein. Als bereite es ihm sogar große Schmerzen.»
« Und du hast gar keine Ahnung, was dahinter stecken könnte?»
Mira zieht die Stirn in Falten.
«Nein, überhaupt nicht. Als ich ihn bei unserer zweiten Begegnung gefragt habe, weshalb er so wütend auf mich ist, explodierte er regelrecht vor Zorn und meinte, ich wüsste doch ganz genau, weshalb.»
« Das solltest du unbedingt klären, Lena. Vielleicht gibt es da ein riesiges Missverständnis, von dem du einfach nichts mitbekommen hast. Und jetzt quält ihr euch beide ganz umsonst.»
« Du hast sicher recht, Mira, aber ich habe richtig Angst, ihn darauf anzusprechen. Wenigstens haben wir auf der Arbeit einen Waffenstillstand. Ich muss abwarten, ihn im richtigen Moment zu erwischen, damit er nicht wieder explodiert vor Zorn.»
« Warte nicht zu lange, ich kann euch so nicht leiden sehen. Ihr seid so ein beneidenswert leidenschaftliches Paar.»
« Ich habe richtig Angst vor Morgen. Ich weiß einfach nicht, woran ich bin und was mich da erwartet. Da ist alles drin, von bösen Blicken, über völliger Ignoranz bis hin zu unendlicher Zärtlichkeit.»
« Das klingt wirklich hart.»
« Aber wir reden die ganze Zeit nur über mich! Ich weiß ja noch nicht einmal, wie dein erster Arbeitstag verlaufen ist.»
Mira winkt ab.
«Es war toll, die Firma gefällt mir super. Aber das ist jetzt nicht so wichtig, Lena. Dir geht es schlecht und ich bin gerne für dich da.»
Ich bin Mirabell unendlich dankbar. Ich w üsste nicht, was ich jetzt alleine ohne sie täte.
Büro
Am n ächsten Morgen ist Tinos Auto vor meinem Haus verschwunden. Als ich mit klopfendem Herzen im Büro sitze, kann ich mich kaum auf meine Arbeit konzentrieren. Fortwährend starre ich zur Tür, in der Erwartung, Tino wieder zu sehen. Aber er kommt nicht. Als ich die Emails durchforste fällt mein Blick sofort auf eine Email mit seinem Absender. Meine Hände zitterten, als ich sie öffne. Sie wurde um 4 Uhr morgens versendet.
«Guten Morgen, Frau Sommer,
den heutigen Tag werde ich damit verbringen, die Namen der Kaufentscheider, der großen potentiellen Kunden herauszufinden. Der Vertrieb wurde bereits darüber informiert, dass das Team diese Aufgabe für die kleineren Firmen übernehmen soll. Bereiten Sie doch bitte schon mal ein Einladungsschreiben für unsere Veranstaltung und ein Rundschreiben für die Mitarbeiter vor, in dem Sie sie über das Event informieren und gleichzeitig um Mithilfe bitten. Das Schreiben drucken Sie bitte mehrfach aus, damit es jedem Mitarbeiter persönlich übergeben kann.
Herzlichen Dank
Tino Angelus. »
Kein Wort, keine Emotion deutet auf unseren leidenschaftlichen Tanz, den Kuss und seinen plötzlichen Rückzug hin. Ich bekomme mal wieder keine Erklärung dafür, was in diesem Menschen vorgeht, stelle ich enttäuscht fest. Was soll ich davon halten? Verwirrt lese ich den Brief nochmals durch und scrolle Gedankenversunken weiter hinab. Da ist noch etwas, ganz unten, wenn ich zwei ganze Seiten weiter hinunter blättere:
ein einzelnes weinendes Smilie. Alles in mir zieht sich zusammen. Dieses winzige Signal einer Emotion breitet gro ße Traurigkeit in mir aus. Minutenlang starre ich es an, als könnte ich ihm neben der Emotion noch mehr entlocken. Offensichtlich will er mir dieses Gefühl von sich zusenden, ohne dass ich es entdecke, sonst hätte er es nicht so gut versteckt. Tino ist und bleibt ein Rätsel für mich. An diesem Tag sehe ich ihn nicht mehr und als er am nächsten Tag die Rundschreiben an alle Mitarbeiter verteilt, bin ich nicht im Haus, weil er mir für diesem Tag gegen meinen Willen per Email Urlaub gibt. Auch die ganze nächste Woche kommunizieren wir lediglich
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