Sommersonnenwende (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
feststellen konnte.
„Arrow“, wiederholte er, als er sie wieder ansah und deutete mit seiner Hand auf einen freien Stuhl an der Tafel neben ihm. „Bitte, tretet näher.“
Nach kurzem Zögern ging sie auf ihn zu und war innerlich mehr als erleichtert. Den ersten Eindruck empfand sie nicht selten als besonders wichtig und obwohl man die Umstände dieses Kennenlernens nicht unbedingt als gewöhnlich bezeichnen konnte, hatte sie dennoch ein überwiegend gutes Gefühl. Leider jedoch währte dieser Zustand nicht allzu lange, denn kaum, dass sie die ersten Schritte gegangen war, hämmerte es von außen an das Burgtor.
Arrow zuckte zusammen und wandte sich auf der Stelle dem Eingang zu. Das Geräusch, das sie außerhalb der Festung bereits vernommen hatte, war inzwischen bis hierher vorgedrungen. Noch immer beschlich sie das Gefühl, genau zu wissen, was sich dahinter verbarg, auch, wenn es eigentlich nicht möglich war.
„Sorgt Euch nicht“, sagte der Mann, und beinahe im selben Moment rückte sie aus dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, denn viele der anwesenden Herrschaften verfielen ganz plötzlich in Gespräche.
Arrow musterte ihn fragend.
„Das gehört zu unserem Alltag“, sagte er. „Von all den merkwürdigen Dingen, die hier vor sich gehen, gehört dies zum Ungewöhnlichsten.“ Dann deutete er abermals auf den Stuhl, doch Arrow reagierte nicht.
„Traut Ihr mir nicht?“, fragte er überrascht und gab ihr, ohne es zu wissen, mit genau dieser Frage dazu Anlass, umzukehren und sich davon zu überzeugen, ob sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Denn wenn sie eines wusste, dann war es die Tatsache, dass jemand, der eine solche Frage stellte, fast immer etwas zu verbergen hatte.
Arrow schielte durch einen Schlitz und war alles andere als überrascht, als sie auf der anderen Seite ein gutes Dutzend Perchten erblickte.
Desillusioniert wandte sie sich wieder dem Mann zu und fragte barsch: „Was hat das zu bedeuten?“
„Alles zu seiner Zeit“, entgegnete er, noch immer auf den Stuhl deutend. „Ihr werdet auf jede Eurer Fragen eine Antwort erhalten. Alles, worum ich Euch bitte, ist, an unserer Tafel Platz zu nehmen.“
Sie zögerte, denn ihr anfängliches Misstrauen kehrte langsam aber sicher zurück, und spätestens jetzt wusste sie auch, warum Sally sich so geheimnisvoll verhalten hatte. Eine einsame Festung inmitten einer Einöde, und Perchten, die davor ihr Unwesen trieben, das alles konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Dennoch wollte sie der Sache auf den Grund gehen und herausfinden, warum Sally sie hier hergeschickt hatte. Vor allem aber war sie mehr als interessiert, wem sie ihre Reise in die Unterwelt zu verdanken hatte.
Widerwillig trat sie an die Tafel und setzte sich. Die Augen dreier Männer auf sie gerichtet, gab sie sich keine Mühe, ihre Skepsis zu verbergen. Alles deutete darauf hin, dass die Unterstützung, von der Sally im Zusammenhang mit den Halblichtlords geredet hatte, eine Gegenleistung verlangte, denn offenbar waren diese Männer hier sehr viel hilfloser als sie selbst.
Der Mann, der sie angesprochen hatte, nahm auf der gegenüberliegenden Seite Platz. Er hob einen Krug. „Wein?“, fragte er gelassen.
„Nein danke“, entgegnete sie geschäftig.
„Etwas anderes? Wasser vielleicht?“
„Danke, aber der einzige Durst, den ich im Moment verspüre, ist der nach Wissen.“
„Ihr scheint es eilig zu haben.“
„Allerdings. Und ich schlage vor, dass Ihr die Zeit nutzt, die ich für Euch aufwende.“
„Nun, ich hatte gehofft, wir könnten unsere Zusammenkunft mit einem angenehmen Gespräch beginnen ...“
„So es ein angenehmes Thema gibt, das meine Anwesenheit rechtfertigt, dürft Ihr das gerne. Sollte es sich jedoch lediglich um Belanglosigkeiten handeln, muss ich Euch bitten, diese auszusparen und einfach damit zu beginnen, mir Euren Namen zu verraten.“
Der Mann musterte sie anerkennend. „Eine Frau, die weiß, was sie will“, sagte er. „Das gefällt mir.“
Arrow musste sich zurückhalten. Nur zu gerne hätte sie auf diese Aussage etwas Schlagfertiges erwidert, doch das würde nur zu weiteren Verzögerungen führen. Aber nicht nur deshalb fiel es ihr schwer, sich zusammenzureißen. Für so hochnäsige Schnösel, die sich allein deshalb für etwas Besseres hielten, weil sie Männer waren, hatte sie noch nie etwas übrig gehabt, ganz besonders dann nicht, wenn sie den Großteil ihrer Zeit damit verschwendeten, auf Frauen hinabzusehen.
„Mein Name ist
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