Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
Vom Netzwerk:
Sicherlich
konnten Stress, Kummer, zu viel Arbeit, Übernächtigung oder Krankheit
Augenringe verursachen und einen Menschen ein paar Jahre älter aussehen lassen,
was – sobald die Anspannung von ihm abgefallen war – auch wieder nachlassen
konnte. Doch eine Verjüngung wie in seinem Fall war mehr als ungewöhnlich.
    Eliza versuchte ihre Verwunderung zu
verbergen und fragte stattdessen, nach etwas, das sie ebenfalls irritiert
hatte: „Woher kennen Sie meinen Namen? Wir haben einander, soweit ich mich
erinnere, noch gar nicht vorgestellt.“
    Noch während sie es aussprach, stellte
sie fest, dass ihre Stimme einen viel zu misstrauischen Unterton hatte und dass
sie lieber hätte sagen sollen, dass auch sie sich freute, ihn zu sehen. Sollte er
tatsächlich etwas von den abenteuerlichen Verschwörungstheorien um sein
plötzliches, lautloses Auftauchen und um seine wundersame Verjüngung bemerkt
haben, die ihr durch den Kopf geisterten, so ließ er es sich jedenfalls nicht
anmerken.
    Er lächelte entspannt, als er ihr
antwortete: „Oh, verzeihen Sie, wie unhöflich von mir. Mein Name ist Valeriu
Bazon-Arany.“
    Er reichte ihr die Hand und deutete eine
Verbeugung an. Ein wenig zögernd griff sie zu, doch diesmal blieb der
Kälteschock aus. Seine Hand war zwar deutlich kälter als ihre eigene, aber bei
weitem nicht so frostig, wie beim letzten Mal. Dennoch sah Eliza ihn erstaunt
an.
    „Das ist ein sehr exotischer Name. Woher
stammen Sie?“
    Er antwortete freundlich, aber für Elizas
Geschmack ein wenig zu kurz: „Mein Name ist teils rumänischen, teils
ungarischen Ursprungs.“
    Dann fuhr er fort: „Aber um auf Ihre
eigentliche Frage zurückzukommen: Sie haben Ihren Namen letzte Woche bei Ihrer
Führung genannt. Erinnern Sie sich nicht?“
    Tatsächlich nannte Eliza zu Beginn jeder
Führung ihren Namen. Aber Valeriu war erst viel später zu der Gruppe
hinzugestoßen. Sie behielt diesen Einwand jedoch für sich und vermutete, dass
ein anderer Teilnehmer der Führung sie wohl mit Namen angesprochen und er ihn
sich gemerkt hatte. Deshalb nickte sie bloß, als habe seine Erklärung ihre
Zweifel zerstreut.
    Mit einem Mal sah er sie wieder mit
diesem intensiven, analytischen Blick seiner bunten Augen so besorgt an, wie er
es im Aufzug getan hatte.
    „Aber Sie frieren ja“, bemerkte er.
    Offenbar war ihm die Gänsehaut an ihren
Unterarmen aufgefallen, die sie durch Verschränkung selbiger zu verdecken
versucht hatte. Sie entschieden, dass man die Unterhaltung auch drinnen im
Warmen fortsetzen konnte und stiegen gemeinsam die steile Treppe zum
Leopoldmuseum hinauf.
     Während
Eliza diese Treppe immer ein klein wenig ins Schwitzen brachte, schienen ihm
die Stufen überhaupt nichts auszumachen. Aus dem Augenwinkel beobachtete Eliza
diesen besonderen, gleichermaßen kraftvollen, wie geschmeidigen Gang, der ihr
schon bei ihrer letzten Begegnung aufgefallen war. Jede seiner Bewegungen und
Gesten strahlte Sicherheit und Eleganz aus. Jeder einzelne seiner Schritte war
von einer kraftvollen, aber gemessenen Männlichkeit, gepaart mit einer
natürlichen Anmut, wie Eliza sie noch nie bei jemandem wahrgenommen hatte. Im
Vergleich mit ihm erschienen ihr die Männer aus ihrem Umfeld allesamt plump und
schwerfällig. Ihm war eine ungewöhnliche, mächtige Präsenz eigen, die auf Eliza
äußerst anziehend und, wie sie zugeben musste, sehr erotisch wirkte. Ihre Oma
Sibylle hätte das Gemisch aus Charisma, Selbstsicherheit und Energie, das
diesen Mann umgab wohl eine starke Aura genannt.
    An der Garderobe entledigten sie sich
ihrer Mäntel.
    Der Blick, mit dem Valeriu sie nun von
oben bis unten betrachtete, war ungewöhnlich direkt, aber nicht einen
Augenblick aufdringlich oder unangenehm. Es war nicht der dreiste Röntgenblick
eines Machos, der versuchte, sie mit den Augen auszuziehen. Vielmehr betrachtete
er sie mit höchster Aufmerksamkeit, wie man ein Kunstwerk betrachtet.
    Gemessen an der Intensität seiner
Beobachtung, fiel sein Kommentar recht knapp aus: „Sie sind wunderschön.“
    Gerade die Schlichtheit dieser Worte und
diese Allgemeingültigkeit der Feststellung, verbunden mit der Aufrichtigkeit in
seiner Stimme, ließ Eliza erröten. Ein bezauberndes Lächeln huschte über ihre
Lippen, dann schlüpfte sie schnell in die schützende Rolle der
Kunstwissenschaftlerin und erklärte, dass ihnen, wenn sie den Selbstseher für sich allein haben wollten, nur noch eine gute halbe Stunde bliebe, bis ihre
Kollegin mit ihrer

Weitere Kostenlose Bücher