Somnambul Eliza (German Edition)
zu entziffern, doch die Tochter
einer Antiquitätenhändlerin merkte auch so, dass es sich um altes, massives
Familiensilber handelte.
„Ich finde es toll, dass du das Meißen
und dieses wundervolle alte Besteck wie selbstverständlich in Gebrauch hast.
Die meisten Leute schonen diese Dinge und lassen sie in einer Vitrine oder in
einem Besteckkasten verstauben und wenn sie dann sterben, werden die Sachen an
die nächste Generation vererbt, die dann keinerlei Sinn dafür hat und sie beim
nächstbesten Trödler versetzt. Wer hat dich an diese Dinge herangeführt?“
Eliza hoffte auf diesem Weg, so zu sagen
durch die Hintertür, etwas über Valerius Vergangenheit zu erfahren.
„Nun, da gibt es niemanden, der das
hätte tun können“, war die einsilbige Antwort, die er ihr gab und das
anschließende Schweigen machte deutlich, dass er offenbar auch nicht gewillt
war, weitere Erklärungen folgen zu lassen.
Schließlich griff Eliza vorsichtig mit
beiden Händen nach einer der beiden Salzschalen, die vor ihr auf dem Tisch
standen.
„Das ist eine ganz besonders aufwändige
Arbeit. Obwohl die gleiche Figur noch heute hergestellt wird, ist die Bemalung
des Kleides bei einer neueren Saliera bei weitem
nicht mehr so aufwendig und detailreich und der aufgesetzte plastische
Blütenschmuck wäre viel weniger üppig.“
Dann drehte sie die Schale auf den Kopf
und schaute sich die Schwertermarke genauer an. Erstaunt stellte sie fest:
„Diese Marke habe ich erst ein einziges Mal in Natura bei einem kleinen
Deckeltässchen gesehen. Die Marke mit dem Punkt zwischen den gekreuzten Knaufschwertern wurde nur ganz kurz zwischen den 1760er und
1770er Jahren verwendet. Das ist ein äußerst wertvolles Objekt. Weißt du etwas
darüber, wie es in deine Familie kam? Es muss großartig sein, auf eine so lange
Familiengeschichte zurückblicken zu können.“
Valeriu blickte sie über den Tisch
hinweg mit seinen irisierenden Katzenaugen an, wobei er bedauernd den Kopf
schüttelte.
„Mag sein, dass es eine solche
Familiengeschichte gibt, aber leider weiß ich wenig darüber. Die Saliera ist in der Tat ein Erbstück, aber
bedauerlicherweise weiß ich über ihre individuelle Geschichte ebenfalls nichts
zu berichten.“
Eliza stellte die Salzschale behutsam
zurück.
„Dann erzähl mir einfach so etwas von
deiner Familie“, bat sie.
Valeriu lächelte sein entwaffnendes
Lächeln.
„Meine Geschichte ist nicht halb so
spannend, wie mein Name vermuten lässt. Sie ist lediglich ein wenig traurig und
ich möchte dich weder langweilen noch auf die Stimmung drücken.“
„Ich möchte sie trotzdem hören.“
Valeriu zog eine Augenbraue hoch, dann
sagte er: „Also gut, wenn du darauf bestehst. Meine Eltern verunglückten bei
einem Autounfall, als ich noch recht jung war und meine Schwester noch ein
halbes Kind. Daraufhin verließen wir Rumänien und gingen erst zu entfernten
Verwandten nach Italien und dann nach Österreich. Später beging meine Schwester
Selbstmord. Ich studierte einige Semester unterschiedliche Fächer an
verschiedenen Hochschulen und stieg dann in die Immobilienbranche ein. That’s it.“
Valeriu hatte diese Fakten seines Lebens
abgespult wie man in Museen am Beginn einer Ausstellung die Lebensdaten eines
Künstlers liest – schnell und emotionslos, um nach getaner Arbeit endlich in
den Genuss der Bilder zu kommen. Seine Worte waren so nüchtern und seine Stimme
so gefasst gewesen, als hätte er geübt und gelernt, seine tragische Biographie
möglichst flüssig und unbeteiligt vorzutragen, ohne sich seine Gefühle anmerken
zu lassen. Lediglich an den Stellen, an denen er seine Schwester erwähnt hatte,
veränderte sich sein gleichgültiger Gesichtsausdruck ein wenig und eine Spur
ehrlichen Bedauerns zeichnete sich für Sekundenbruchteile in seiner Miene ab.
Eliza war erschüttert: „Es tut mir so
leid. Ich konnte nicht ahnen, was du durchgemacht hast. Bitte verzeih mir meine
Neugier.“
Sie griff über den Tisch hinweg nach
Valerius Hand, die genau so kalt war wie immer, aber völlig ruhig und entspannt
auf der Tischplatte lag, ohne eine Spur der Erregung. Eliza streichelte,
unbeholfen wegen der Entfernung, über seinen flachen Handrücken, doch er zog
sie weg, nur um dann ihre Hand zärtlich zu liebkosen.
„Nein, ich muss mich bei dir
entschuldigen. Ich wollte dir mit meiner Geschichte nicht den Abend verderben.
Was geschehen ist, ist geschehen und das alles liegt lange zurück. Ich habe
gelernt, im Hier und
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