Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
November 1991
I973: FDJ wird mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet
Frau Oschwald und Dr. Gläser aus Rostock kamen. Wir trafen uns in Hannover und aßen zusammen Rehfilets im Mövenpick, angesichts des Maschsees mit seinen aus Muschelkalk (?) gemeißelten Kraftfiguren. Alle paar Jahre heißt es: Die müssen weg. Aber sie stehen immer noch. Heroisch geformte Materie.
Dann sahen wir unser Archiv in der Landesbibliothek an, es sind mittlerweile 60 Meter Akten. Die Papiere altern im übrigen sichtlich, sacken zusammen, gilben, obwohl die Aufbewahrungsmodalitäten ganz gut sind.
Der arme Dittrich ahnte wohl schon, was dieser Besuch zu bedeuten hatte: In 12 Jahren kein Interessent? Nichts Universität, keine Schule und kein Ton von der Regierung Albrecht? Ich nahm ihn denn auch beiseite und machte ihn auf das gezielte Interesse der beiden Rostocker aufmerksam. Er will erst mal alles weiterlaufen lassen, seine Anträge bei Stadt und Land, und ich warte ab, was die Rostocker unternehmen. Wie es aussieht, werden zwei der barocken«Buden»auf dem Klosterhof dafür hergerichtet, und ich gebe die Materialien als Dauerleihgabe dorthin.
Wir fuhren dann nach Nartum, um die in Kreienhoop lagernden Objekte und Materialien in Augenschein zu nehmen. Wie zu erwarten, waren sie beeindruckt, sogar der Fahrer, Herr Nage, der an allen Verhandlungen und auch am Essen teilnahm.«Vielen Dank für Speis und Trank», sagte er zum Schluß.
Hildegard war extra noch hiergeblieben, sie will eigentlich nach Berlin fahren. Ihre Anwesenheit bei all den stundenlangen Gesprächen war wohltuend.
Als wir im Turm dann zum Schluß noch Abendbrot aßen, hatten wir alle das Gefühl, daß wir eine gute Sache unternehmen. Merkwürdig die Widerstände, Dittrich berichtete davon, daß er damals ziemlich habe kämpfen müssen, seine Leute seien gar nicht so sehr erbaut gewesen über meine Materialien. Er kam immer wieder auf die Schuhe zu sprechen, die ich in der Gefangenschaft getragen. So was gehöre nicht in ein Archiv. Der Ministerpräsident (Albrecht) habe alles blockiert. Ich nehme an, daß die Ablehnung Albrechts auf den Neid seiner Frau zurückzuführen ist und auf ein Mißverständnis. Ich hatte damals in meiner Niedersachsen-Dankesrede gesagt, es sei mir unverständlich, daß die Intellektuellen ein so gespaltenes Verhältnis zu den Regierenden hätten, beispielsweise sich überlegten, ob sie überhaupt Preise annehmen sollten. Da hat er wohl nicht richtig zugehört, jedenfalls war er der Meinung, ich hätte was gegen die CDU-Regierung und gegen Preise. Und was seine Frau betrifft, ich hörte, daß sie, als Germanistin, griechische Trauerspiele verfaßt und von ihren Kindern in Bettlakengewändern vor ausgewählten Gästen aufführen läßt. Da muß sie ja gegen mich sein. – Bei den Rostocker Museumsleuten, das erzählte Gläser, dominiere einerseits die Faulheit, meine Unternehmung brächte eben eine Menge Arbeit mit sich, andererseits sähen sie mich als Konservativen scheel an. Aufgefordert, selbst mal Ideen für die«Buden»zu entwickeln, hätten sie eigentlich nur Vorschläge gemacht, die ihrem eigenen Wohlbefinden dienten. Auf einem Plan hätten sie z. B. sieben Teeküchen eingezeichnet! Sie hätten eine Heidenangst, zuviel tun zu müssen, allem Neuen gegenüber seien sie skeptisch. Das ist schon merkwürdig, und mich halten sie für konservativ. Bald bin ich’s wirklich.
Die Universität in Rostock trete bei allen Problemen, die die Stadt hat, nicht in Erscheinung.
Die ganze Unternehmung wird hoffentlich noch vor Weihnachten in Gang kommen.
2007: Dauerte noch 12 Jahre. Und dann noch Jahre, bis ich mit Berlin einig war. Als ich dann mit der Universität Rostock flirtete, ging alles ganz schnell, und jetzt, im Juli, haben sich über 10 000 Menschen in der Ausstellung die Exponate angesehen.
Im Radio sagten sie heute früh, die Ökologen entwickelten jetzt schon besondere Pflanzen, die in Europa angebaut werden könnten, wenn der Treibhauseffekt eintritt. Anstatt die Entwicklung energisch zu stoppen, richten sie sich ein. – Die brennenden Ölquellen im Irak übrigens, die angeblich noch fünf Jahre brennen sollten, so die Öko-Wissenschaftler, wurden alle gelöscht. Die Ungarn haben Kanonen entwickelt, mit denen die Feuer ausgepustet werden. Auch ein«Feuerwehrmann»aus den USA wurde engagiert.
Hier großer Ärger, weil der Telekom-Techniker die neue Telefonleitung quer durch unsere schöne Halle gelegt hat. Ich war mal
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