Somniferus
warten, aber als ich den Mund aufmachte,
war es, als werde mir ein feuchter Lappen gegen den Gaumen
gedrückt. Ich brachte keinen Laut hervor. Sofort rannte ich
los.
Die Geräusche folgten mir. Sie wurden lauter, dumpfer –
gewaltiger. Ich blieb noch einmal stehen. Das Herz schlug mir bis zum
Halse. Das Licht vor mir entfernte sich beängstigend schnell.
Ich drehte mich um.
War da nicht eine Bewegung gewesen? Im Dämmerkreis meiner
Kerze? Lisa? Der Kommissar? Plötzlich hoffte ich geradezu, dass
er es war – und nicht…
Doch dann war alles still. Nichts bewegte sich. Ich lief der
fernen Kerze hinterher. Sie blieb stehen. Endlich hatte ich sie
erreicht.
Der Geistliche bedachte mich mit einem Blick, der mir die Haare zu
Berge stehen ließ. »Kommen Sie. Wir sollten uns beeilen.
Ich will mir hier unten nicht den Tod holen.«
Schweigend gingen wir den leicht abschüssigen Gang weiter.
Ich fragte mich, wer sich die Arbeit gemacht haben mochte, ihn aus
dem Felsen zu hauen. Vermutlich war es schon immer ein Fluchtweg
gewesen, denn es gab keine Abzweigungen, keine Kammern, nichts
außer diesem Gang, der unendlich zu sein schien.
Ich weiß nicht mehr, wie lange es dauerte, bis der
Geistliche endlich anhielt, seine Kerze ein wenig hob und eine
hölzerne Tür beleuchtete. Er holte einen altertümlich
großen Schlüssel aus seiner Jacke, steckte ihn so leise
wie möglich in das Schloss und drehte den Schlüssel um.
Dann zog er die Tür auf. Sie knarrte nicht einmal. »Blasen
Sie die Kerze aus!«, zischte er mich an; sein Licht erlosch
sofort.
Ich vergaß, seinem Beispiel zu folgen, so froh war ich, dass
ich dem Berg entronnen war. Ich konnte die Sterne sehen. Sie steckten
hinter dichtem Gestrüpp, das unser letztes Hindernis vor der
Welt und der Wirklichkeit war.
»Wenn Sie sich nach rechts halten, kommen Sie auf die
Landstraße nach Manderscheid, wie Ihre Freundin es Ihnen
erklärt hat. Die Telefonzelle, von der sie gesprochen hat, ist
etwa eine Viertelstunde entfernt. Sehen Sie sich vor!« Er
verschwand hinter der Tür, zog sie leise zu und verriegelte sie
wieder.
Ich arbeitete mich aus dem Gestrüpp hervor und stand
schließlich auf einem schmalen Bürgersteig. Erst in
einiger Entfernung links begannen die Häuser. Hinter mir ragte
eine Felswand hoch. Die Tür war von hier aus nicht mehr zu
sehen. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Was mochte Lisa
erreicht haben? Wie hatte der Kommissar auf ihre Geschichte reagiert?
Würde sie zu der Telefonzelle kommen? Oder wartete die Polizei
dort bereits auf mich? Unschlüssig ging ich einige Schritte hin
und her. Was blieb mir übrig? Endlich fasste ich mir ein Herz,
warf meine Kerze fort und machte mich auf den Weg zum
Ortsausgang.
Auf dem Weg drehte ich mich immer wieder um, doch weder ein
Polizist noch Lisa waren zu sehen. Nach etwa einer Viertelstunde sah
ich die Telefonzelle neben einem Busunterstand am rechten
Straßenrand; hinter ihr lauerte dichtes Gebüsch. Mit
klopfendem Herzen ging ich darauf zu. Wurde ich erwartet? Wenn ja,
von wem?
Doch niemand war hier. Ich drückte mich in das Gebüsch,
wie Lisa es mir geraten hatte, und wartete aufgeregt. Mir
gegenüber lag ein Gasthaus; dahinter führte eine
Straße in die Finsternis eines Waldes. Eine Laterne beleuchtete
einen Wegweiser: Gemündener Maar. Die Fenster des
Gasthauses waren dunkel. Abweisend. Der Schein einer
Straßenlaterne verstärkte noch den Eindruck, dass sie
Löcher ins Nichts waren. Keine Seele war auf der Straße zu
sehen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich plötzlich Schritte
hörte.
13. Kapitel
Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich wagte nicht, aus meinem
Versteck hervorzukommen. Nun trat eine Person in den Lichtteich der
Laterne.
Es war Lisa.
Ich vergaß alle Vorsicht und stürmte aus dem
Gebüsch hervor. Lisa zuckte zusammen; dann erkannte sie mich und
gab mir mit einer knappen Geste zu verstehen, dass ich mich wieder in
den Schutz des Gestrüpps begeben sollte. Sie betrat die
Telefonzelle; ich sah noch, wie sie den Hörer abnahm, bevor ich
mich erneut in die Schatten duckte.
Endlich gesellte sie sich zu mir und hockte sich neben mich. Ich
war so froh darüber, wieder in ihrer Nähe zu sein, dass ich
nicht einmal Fragen stellte.
Doch sie begann von sich aus zu reden: »Dieser Hornochse von
Kommissar lässt sich einfach nicht von der fixen Idee abbringen,
dass Sie der Mörder meines Vaters sind. Ich habe ihm gesagt, ich
werde für Sie aussagen, aber er wollte nichts
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