Sonea - Die Heilerin: Roman
oder wolle es nicht tun? Dachten sie, man könne mir nicht trauen?
Oh, gib Ruhe, sagte sie sich.
Kurz darauf war die Zusammenkunft beendet. Rothen schloss sich Sonea an, als sie das Büro verließ.
»Gehst du heute Abend ins Hospital?«, fragte er.
Sie begaben sich in die Eingangshalle und blieben in den geöffneten Türen der Universität stehen. Beide schauten in den Wald hinaus, der von Schnee überstäubt war.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Sonea. »Ich habe heute nicht geschlafen. Ich könnte in meine Räume zurückkehren, aber damit ist nichts getan. Natürlich könnte ich ins Hospital gehen, aber ich habe den Verdacht, dass ich … ein wenig abgelenkt sein werde.«
Er brummte. »Ich denke, das werden wir alle sein, bis die Tat getan ist.«
»Und noch für ein Weilchen danach. Wie lange ist es her, seit die Gilde zum letzten Mal ein Mitglied – oder ein ehemaliges Mitglied – hinrichten musste?«
Er zuckte die Achseln. »Sehr lange. So lange, dass ich es in einem Geschichtsbuch nachschlagen musste.«
Sonea blickte über ihre Schulter. Die Eingangshalle war verlassen, nachdem die Höheren Magier alle gegangen waren.
»Ich gebe zu, dass ich erleichtert über Osens Wahl des Henkers bin«, murmelte sie. »Obwohl es hart für Kallen sein wird, dort zu sein und eine Rolle dabei zu spielen. Er hat nie … er ist unerfahren.«
»Viele sind der Ansicht, dass man dir bereits eine Menge abverlangt hat«, erwiderte Rothen leise. »Sie fühlen sich schuldig wegen Lorkin.«
Sie drehte sich um, um ihm in die Augen zu sehen. Sie sollten sich schuldig fühlen, dass sie Lorkin nach Sachaka geschickt haben, dachte sie triumphierend, aber nicht ohne Verbitterung. Rothens Augen blickten ruhig und deuteten noch mehr an. Sie fragte sich, wie oft die Höheren Magier über sie sprachen.
»Ist das der Grund, warum sie Lorkin noch nicht offiziell aus der Gilde verstoßen haben?«, fragte sie.
Er nickte.
»Oder haben sie Angst vor dem, was ich sagen und tun würde, falls sie ihn ausschließen sollten?«
Rothen lachte leise. »Das auch.« Dann wurde seine Miene wieder ernst. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir eine traurige Nachricht zu übermitteln – es geht um jemand anderen, nicht um Lorkin.«
»Was ist denn passiert?«
»Regins Frau hat versucht, sich das Leben zu nehmen.«
»Oh! Wie schrecklich.«
»Anscheinend versucht sie es schon seit Jahren. Dies ist das erste Mal, dass es … öffentlich geschehen ist. Es hat Gerüchte gegeben, aber …« Rothen verzog das Gesicht. »Ich mochte ihnen keine große Beachtung schenken.«
»Armer Regin«, sagte sie.
»Ja«, entgegnete Rothen. »Aber … nicht ganz aus dem Grund, den du im Sinn hast, vermute ich.«
»Wie meint Ihr das?«
Rothen seufzte. »Einigen Gerüchten zufolge fanden ihre Selbstmordversuche immer dann statt, wenn er von einem ihrer Geliebten erfahren und ihn davongejagt hatte.«
Sonea zuckte zusammen. »Oh.«
»Ich habe Berichte gehört, nach denen er auf dem Rückweg nach Imardin ist und um Räume in der Gilde gebeten hat. Er hat sein Haus in Elyne der einen Tochter gegeben und seinen Familiensitz in Imardin der anderen.«
»Die Tat eines zornigen Mannes.«
»So ist es.«
Ein wenig passender und leicht verräterischer Hoffnungsfunke glomm in Sonea auf. Außerdem ein Mann, der etwas braucht, womit er sich beschäftigen kann – wie die Jagd auf einen wilden Magier.
»Gibt es eine Menge Eheleute, die im Moment Probleme haben, oder kommt mir das nur so vor?« Sie hakte sich bei Rothen unter und zog ihn zurück zum Flur der Universität.
»Wer hat denn sonst noch Probleme in seiner Ehe?«, fragte er.
Sie zuckte die Achseln. »Nur … irgendwelche Leute. Und was Personen betrifft, die nach Hause zurückkehren, gibt es da etwas, worüber ich mit Euch sprechen wollte. Etwas, das uns mit vereinten Kräften gelingen sollte, ohne Anstoß zu erregen.«
28 Eine willkommene Rückkehr
Z u Lilias Erleichterung wurde sie in einem Raum in der Universität festgehalten und nicht in der stickigen Kuppel. Dies schenkte ihr ein klein wenig Hoffnung, dass die Gilde ihre jüngeren Verbrechen mit etwas mehr Nachsicht betrachten würde und dass ihre Absicht, in ihr Gefängnis zurückzukehren, nachdem sie Naki gefunden hatte, sie davon überzeugt hatte, dass man ihr keine härtere Strafe zu geben brauchte.
Was diese Hoffnung schwächte, war die Tatsache, dass man ihr seit der Anhörung nichts mehr erzählt hatte. Diener hatten ihr ihre Mahlzeiten
Weitere Kostenlose Bücher