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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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dachte an ihre Demütigung durch die nicht stattfindende Verlobung mit Lorrain, bei der Verrol anwesend gewesen war. Sie hoffte nur, dass er nicht bemerkte, wie sich ihre Wangen röteten. »Ich bin dazu erzogen worden, Heirat und Ehe anders zu betrachten als ihr. Für dich und Mave ist es viel einfacher. Du kannst sie einfach küssen.«
    »Kann ich?«
    »Du nimmst sie in deine Arme und küsst sie. Bist leidenschaftlich.«
    »Aber muss ich ihr nicht sagen, dass ich sie liebe?«
    »Das würde sie dir vermutlich nicht glauben, deshalb musst du sie mit einem Kuss überzeugen.«
    »Du glaubst, darauf würde sie eingehen?«
    »Ich weiß, dass sie das würde. Aber natürlich nur, wenn du wirklich etwas für sie empfindest.«
    »Sonst …?«
    »Sonst wäre es falsch und grausam.«
    »Mmm. Es wäre wie jemand den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen, oder?«
    Astor hätte ihn schlagen können. Warum konnte er nicht ein einziges Mal direkt antworten? Sie wollte wirklich wissen, was er für Mave empfand, aber das hatte er ihr noch immer nicht anvertraut. Seine ironische Art sorgte dafür, dass er nie etwas von sich preisgab.
    In diesem Moment klopfte es auf das Verdeck; der Assistent des Fahrers machte ein Zeichen. Erstaunt bemerkte Astor, dass das Veloziped zum Stehen gekommen war. Ein Lakai öffnete ihnen die Tür.

• 58 •
    Sie fanden sich in einem gepflasterten Innenhof wieder. Die Velozipede mit den anderen Bandmitgliedern waren schon angekommen, gemeinsam mit vielen anderen unterschiedlichen Fahrzeugen. Astor betrachtete die hohen den Hof umgebenden Gebäude, die sich Stockwerk um Stockwerk, Fensterreihe um Fensterreihe, in den dunklen Himmel reckten und im Dunkel verschwanden. Es war sehr beeindruckend … aber warum waren sie durch den Hintereingang gekommen?
    »Wo sind wir?«, fragte sie Verrol.
    »Keine Ahnung. Reeth hat sich um alles gekümmert.«
    Reeth stand ganz in der Nähe neben Purdy, Mave und Ollifer. Immer mehr Fahrzeuge fuhren in den Hof, von Pferden gezogene oder dampfgetriebene, gemietete Droschken oder private Kutschen. Viele der Kutschen war ziemlich imposant – mit Wappen und wehenden Fahnen geschmückt. Einige waren sogar mit den gepunkteten, gestreiften oder lohfarbenen Fellen exotischer Tiere ausgelegt.
    Die Passagiere, die ausstiegen, achteten darauf, so unauffällig wie möglich zu bleiben. Von Mänteln verhüllt eilten sie über den Hof und versteckten ihre Gesichter hinter hochgestellten Kragen.
    »Was soll die Geheimnistuerei?«, wunderte sich Astor laut.
    »Wir sollten Reeth fragen«, schlug Verrol vor.
    Doch als sie sich aufmachen wollten, entstieg Phillidas Swale einer Droschke, hob einen Arm und rief der Band zu: »Folgt mir!«
    Selbst bei Nacht trug er seine dunkle Brille. Er brachte sie zu derselben Tür, durch die alle Ankömmlinge gingen – einem Dienstboteneingang, der von zwei Laternen haltenden Wachen flankiert wurde.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Astor, als sie Phillidas erreichte.
    »Norfolk Palace.« Ausnahmsweise senkte Phillidas die Stimme zu einem Flüstern. »Vor fünf Jahren hat die Herzogin von Norfolk Jeremiah Higgis geheiratet. Einen von uns.«
    »Uns?«
    »Einen der Unternehmer natürlich. Einen der Industriellen, Bankiers, Plutokraten.«
    Sie gingen durch die Tür und durchquerten einen Korridor, der sie zu einem Foyer brachte – und plötzlich hatten sie eine andere Welt betreten. Statt Dunkelheit und Geheimniskrämerei war hier alles hell und farbenfroh, voller Geschäftigkeit und Geplauder. Nachdem die Gäste ihre Mäntel und Umhänge einer Armee von Lakaien anvertraut hatten, zeigten sie ihre raffinierten Roben und ihre Juwelen.
    Während Astor dem Geplauder lauschte, vernahm sie viele regionale Dialekte, etwa aus dem Norden, aus Schottland, aus den Midlands und viele mehr. Waren sie alle zu Gast in London? Die Rowdys passten nicht zu dieser vornehmen Gesellschaft, doch nichtsdestoweniger nickten und lächelten ihnen viele der Gäste zu. Phillidas führte sie die Prunktreppe hinauf, vorbei an bronzenen und marmornen Büsten auf Sockeln.
    Oben befand sich der von Menschen überfüllte Empfangssaal. Hier war das Geplauder sicherlich doppelt so laut. Phillidas schob sich durch die Menge, und die Band folgte ihm quer durch den Raum. Schwere Plüschvorhänge verdeckten jedes einzelne der großen Fenster.
    Es gab Erfrischungen für die Gäste, die aber nicht von normalen Dienern serviert wurden. Stattdessen bewegten sich von Uhrwerken getriebene stumme Diener langsam über

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