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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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malträtieren, sie verjagen.
    Doch als sie sich am Ende des Songs umblickte, war keiner gegangen. Die Gentlemen, die sich von ihren Sitzen erhoben hatten, standen noch in derselben Position da, als seien sie eingefroren. Astor konnte zwar die Augen der Zuschauer nicht erkennen, aber sie konnte erkennen, dass vielen der Mund offenstand.
    »Ich hab’s euch gesagt!«, schrie Ollifer. »Es funktioniert!«
    Was funktionierte? Sie hatten das Publikum in keinster Weise vertrieben, so wie Astor es vorgehabt hatte. Was glaubte denn Ollifer, was sie vorgehabt hatte?
    Während des nächsten Songs hatte Astor das eigenartige Gefühl, dass die Akustik sich geändert hatte. Der Sound schien sich verstärkt zu haben, kam aus der Kuppel zurückgeschossen, nahm an Klang zu und verbreitete sich. Die Band spielte nicht länger für sich allein in einer Blase; oder falls doch, dann hatte sich die Blase so vergrößert, dass sie den gesamten Zuschauerraum mit einschloss.
    Astor wusste nicht, ob das Publikum verärgert war oder revoltierte oder was auch immer – zumindest aber war es aufgewühlt. Unglaublich, unvorstellbar, die Stimmung hatte sich verändert. Als sie zum Ende des Songs kamen, hatte sie eine neue Idee.
    »Los! Wir nehmen es mit ihnen auf!«, schrie sie der Band zu. »Dreht euch um und guckt ihnen in die Augen.«
    Die Band tat wie geheißen. Und nach einem Moment der Stille setzte gedämpft Applaus ein. Nicht höflicher Applaus, sondern echtes Klatschen. Der Applaus schwoll an und wurde zu einer echten Welle der Begeisterung. Verrol, Mave, Purdy und Ollifer sahen sich ungläubig an.
    Astor schlug eine Salve auf ihren Drums, und das Publikum verstummte. Dann schlug sie mit einem einzelnen Drumstick ein gleichmäßiges
Tap-Tap
und heizte so die erwartungsvolle Stimmung an. Sie zeigte mit dem anderen Drumstick auf Mave, die nun mit einem tiefen klagenden Laut einstimmte, einem Sound, der einem die Haare zu Berge stehen ließ. Sechzehn
Taps
später fiel die ganze Band ein – in voller Lautstärke, wie ein berstender Damm.
    Sie legten alles in diesen Song. Astor konnte kaum etwas sehen, während sie den Kopf von einer Seite auf die andere warf und ihr der Schweiß über die Augen lief – das Publikum verschwamm vor ihren Augen. Aufwendige Frisuren, die sich im Takt wiegten … keine Operngläser mehr … mit Schmuck behängte Arme, die sich auf und ab bewegten. Sie hätte nie gedacht, dass diese Leute sich für ihre Musik begeistern ließen.
    Sie fühlte sich von einer Woge der Erleichterung davongetragen. Ihr Missgeschick hätte fast den ganzen Auftritt zum Platzen gebracht – doch ihr Einsatz war es auch, der sie wieder zurückgebracht hatte. Das Publikum pulsierte voller Leben und Energie. Sie lachte laut auf, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und machte weiter, sie schlug, schlug, schlug auf die Drums ein …

• 57 •
    Die Show war vorüber. Für die Rowdys war es ein phantastischer Abend gewesen. Sie waren noch immer überwältigt von ihrem Erfolg, und die Musik wirbelte noch immer in ihren Köpfen. Die Welt um sie herum bestand aus bewundernden Blicken und strahlenden Gesichtern. Sie hatten
die
Stadt erobert.
    Sie verließen das Gebäude durch dieselbe Tür, durch die sie gekommen waren. Draußen empfing sie eine aufgeregte Menschenmenge. Adrett gekleidete junge Männer rissen ihre Spazierstöcke mit silbernen Knäufen in die Höhe und jubelten begeistert. Sie wurden von Polizisten auf Abstand gehalten, als sie versuchten, der Band näherzukommen.
    »Wow!«, sagte Mave. Mehr hatte keiner von ihnen in den letzten zehn Minuten gesagt.
    Sie mussten auf ihren Transport warten, und währenddessen setzten sich die Rempeleien zwischen der Menge und der Polizei fort. Auf Astor wirkte die Szene irgendwie weit entfernt, selbst als die Menge bis auf ein paar Meter zu ihnen vordrang. Sie winkte den Leuten zu, und mehrere der jungen Männer warfen daraufhin ihre Zylinder in die Luft.
    Es gab weitere Bewunderer, die gesellschaftlich noch höher standen. Auf der anderen Seite der Menschenmenge hielten einige Pferdekutschen: offene, mit Federn und Goldapplikationen geschmückte Landauer. Als ein Lakai von einer der Kutschen sich nach vorn drängte, ließen die Polizisten ihn passieren. Er blieb vor Verrol stehen, verbeugte sich, drückte ihm einen Briefumschlag in Hand und machte sich auf den Rückweg, ohne ein Wort von sich gegeben zu haben.
    Verrol öffnete den Umschlag, und der Duft eines exotischen Parfüms wehte hinüber

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