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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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von Astor im Kreis der Trauergäste stand. Sie spielte eine Totenklage für Granny auf ihrem Melodium.
    Langsam, ganz langsam arbeitete sich die Melodie die Tonleiter hinauf, von Halbton zu Halbton, bis sie dann um eine volle Oktave hinabfiel. Mave pumpte den Blasebalg mit ihrem Ellbogen und blies in die Röhre, vollkommen konzentriert auf den Klang ihrer Klage.
    Mittlerweile hatte das Kanu den Eingang zum Tunnel erreicht. Als es unter dem Bogen hindurchtrieb, flackerte die Flamme nur noch schwach. Nun wirkte es, als beleuchte eine Kerze die unterirdischen Backsteinwände.
    Maves Musik wurde immer leiser, zitternd zwischen den einzelnen Tönen, und der überirdische Klang jagte allen Anwesenden einen Schauer über den Rücken. Es war der Inbegriff allen Trauerns, unendlich traurig und süß zugleich, und da war noch etwas anderes – ein unbeschreibliches Gefühl, das gänzlich über der physischen Welt zu schweben schien.
    Es war, als ob die Zeit stehengeblieben sei, als das brennende Kanu langsam außer Sichtweite trieb. Lediglich ein schwach flackernder Lichtschein war an den Backsteinwänden zu erahnen. Maves Musik, die jetzt nur noch ein verschwindendes Auf und Ab zwischen zwei Tönen war, schien dem Kanu in die Dunkelheit zu folgen.
    Die Trauergäste waren so gebannt, dass sie beinahe das Atmen vergaßen. Als der Feuerschein und die Musik gleichzeitig erloschen, erscholl ein langer Seufzer aus zweihundert Kehlen. Astor fiel plötzlich zu ihrem großen Erstauen auf, dass sie nicht weinte. Sie war über die Tränen, sie war über alles hinaus.
    »Das war unglaublich«, murmelte Reeth. Gewiss hatte er aus Respekt für Granny an der Zeremonie teilgenommen, hauptsächlich aber eher, weil er die Nähe der Band suchte. Das letzte Ritual bestand im Verteilen kleiner Gewürzküchlein. Jeder der Trauergäste nahm ein Küchlein mit sich nach Hause, um es später zu verzehren.
    Grannys Gang machte sich schweigend auf den Weg zu ihrem Schlupfwinkel. Entscheidungen mussten getroffen werden, das Leben musste weitergehen, aber für den Moment waren alle nur mit ihren Erinnerungen beschäftigt. Außer Reeth, der reden wollte. Er reihte sich neben Mave ein, die genau vor Astor ging. Astor hörte noch immer die Musik in ihrem Kopf und schenkte der Unterhaltung der beiden keine Aufmerksamkeit, bis Mave ihre Stimme erhob. Mave gehörte ja zu den Personen, die
niemals
ihre Stimme erhoben.
    Astor drängelte sich zwischen sie. »Was ist los?«
    Reeth durchschnitt die Luft mit seinem einen Arm. »Ich hab nur über das Stück gesprochen, das sie gerade gespielt hat. Warum sollen wir’s nicht ins Repertoire der Band übernehmen? Ein totaler Kontrast in der Mitte eurer anderen Songs. Was denkst du?«
    Astor wollte nicht denken, aber Reeth sprach schon weiter, jetzt zu ihr. »Du bist doch diejenige, die immer auf mehr Abwechslung drängt. Dies wäre der ultimative Kontrast – ein komplettes Umschalten des Tempos und der Stimmungslage. Unglaublich dramatischer Effekt!«
    Astor bemerkte Maves extrem verschlossenen Gesichtsausdruck. Reeth schien demgegenüber unsensibel zu sein, ihr war aber vollkommen klar, dass Mave niemals zustimmen würde.
    »Es steht mir zwar nicht zu, zu entscheiden, was die Band spielt«, ratterte Reeth weiter, »aber …«
    »Es ist
ihr
Song«, unterbrach ihn Mave zischend. »Grannys Song. Ich habe ihn für sie geschrieben, für niemanden sonst. Nicht für einen dramatischen Effekt. Ich werde ihn niemals wieder spielen.«
    Reeth begriff es einfach nicht. »So eine Verschwendung …«
    Astor griff jetzt ein. »Ja, ich bin für Abwechslung. Aber nicht, was diesen Song angeht.«
    »Ich finde nicht …«
    »Nein«, brachte ihn Astor zum Schweigen »Hier geht es um Maves Gefühle.«
    Sie stritten eine Zeitlang weiter. Dann schwiegen sie, und Reeth schien seinen Kopf nach neuen Argumenten zu durchforsten. Mave blieb hinter den anderen zurück, doch dann drängte sie sich plötzlich an Astors andere Seite.
    »Ich hab einen anderen Song geschrieben, der genauso traurig ist«, sagte sie zu Astor.
    »Könnten wir das ausprobieren?«
    »Ja. Ich hab auch den Text dazu.«
    »Noch besser.« Astor blickte Reeth in die Augen. »Na bitte. Problem gelöst.«
    Reeth fletschte seine Zähne in einem breiten Lächeln. »Gut. Wunderbar. Mir geht’s ja nur um den dramatischen Effekt.«

• 47 •
    Bei Maves neuem Song,
Ghost of Love
, handelte es sich um ein Liebeslied. Es war genauso traurig wie das Klagelied für Granny, aber

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