Song of the Slums
gleichzeitig voller Sehnsucht, voller hoffnungsloser Leidenschaft. Wenn Astor Maves zartes Gesicht und stilles Betragen betrachtete, fragte sie sich, woher diese Intensität kam.
Wenn ich dich erreichen
und dich an mich ziehen könnte
,
die Liebe würde aus mir schreien
im tiefsten aller Töne
.
Liebe, die für mich zu groß ist
,
für mein zerbrechliches Herz
,
das in diesem Körper gefangen ist
,
eingeschlossen hinter Gittern
.
Ich bin nur ein Geist für dich
,
du kannst meine Liebe nicht spüren
,
sie ist kein Teil deiner Wirklichkeit
.
Geisterworte der Liebe für dich
,
die du nicht hörst
.
Ein Geist berührt dich in der Nacht
,
nur ein Geist, nicht ich
.
Geistertränen, die für dich fallen
,
trocknen auf deiner Haut
.
Der Geist sehnt sich so nach dir
,
halt ihn von dir fern!
Ich bin nur ein Geist für dich
,
du kannst meine Liebe nicht spüren
,
sie ist kein Teil deiner Wirklichkeit
.
Die Band konzentrierte sich bei ihren Proben auf diesen einen Song, um ihn für den nächsten Auftritt ins Repertoire nehmen zu können. Zumindest hatten sie ein Ziel, auf das sie hinarbeiten konnten – anders als die anderen Gangmitglieder, die seit Grannys Tod ziellos und desorientiert wirkten. Es gab niemanden, der als Anführer an Grannys Stelle treten konnte oder wollte.
Astor hatte mit den Diskussionen um die Führung so gut wie nichts zu tun, darum war sie um so erstaunter, als Hink sie eines Tages nach dem Abendessen ansprach. »Warum machst du deinen Einfluss nicht geltend?«, fragte er sie.
»Bitte?« Sie starrte den Jungen verständnislos an.
»Du musst ihn dazu bringen. Verrol. Er sollte unser Anführer sein.«
»Aha, gut.«
»Er sagt, er ist dafür noch nicht lange genug Gangmitglied. Aber wir würden ihm folgen.«
»Würdet ihr?«
»Natürlich. Überallhin. Er ist dazu geboren, Anführer zu sein.«
Astor erinnerte sich, wie Verrol ganz selbstverständlich die Führung beim Überfall auf Scarrows Hauptquartier übernommen hatte, aber sie erinnerte sich auch, wie er danach ganz selbstverständlich in die zweite Reihe zurückgetreten war. Er war ein geborener Anführer, der nicht führen wollte. Ein weiterer seiner Widersprüche?
»Ich habe keinen Einfluss auf ihn«, sagte sie Hink.
»Aber ihr seid doch beste Freunde?«
»Wir spielen einfach nur zusammen in einer Band.«
Astor hatte keine Absicht, Verrol umzustimmen. Und doch konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, ob auch diese Weigerung, die Führung zu übernehmen, mit seiner mysteriösen Vergangenheit zusammenhing. War er vielleicht einmal ein Anführer gewesen, der sich entschlossen hatte, diese Rolle für immer hinter sich zu lassen?
Innerhalb der Band war sie weiterhin diejenige, die die Entscheidungen vorantrieb. Sie legten zusammen fest, wann genau Maves neue Songs gespielt werden sollten, und entwickelten neue Ideen für die Übergänge zwischen den einzelnen Songs. Und auf Purdys Vorschlag hin wählten sie zwei Stücke aus, die für mögliche Zugaben in Frage kamen.
Einen Tag vor dem Auftritt erschien Reeth und legte ihnen schwungvoll eine Papierrolle vor. Als sie sie auseinandergerollt hatten, entpuppte sie sich als ein gedrucktes Plakat für das Festival. Die Namen aller Auftretenden waren aufgelistet, doch am größten war ihr gemeinsamer Name – ROWDYS. Und dann waren da noch Porträts von Astor, Verrol, Ollifer, Mave und Purdy, die ein ganzes Drittel des Plakats einnahmen.
»Nicht schlecht, was?« sagte Reeth. »Ich hatte schon immer ein zeichnerisches Talent.«
Purdy pfiff durch die Zähne. »Du hast die Porträts gezeichnet?«
»Ja. Extra Werbung für euch. Ich wollte, dass euer Auftritt der Hauptact ist.«
Was bei Astor hervorgehoben worden war, war das Kupferrot ihrer kurzen Haare – es kam ihrer echten Haarfarbe sehr nahe, man konnte sie sofort erkennen.
»Hängen diese Plakate schon?«, fragte sie schnell.
»In ganz Brummingham«, sagte Reeth zufrieden. »Insgesamt dreihundert Plakate.«
»Sie werden mich erkennen«, stöhnte Astor.
Reeths Zufriedenheit schwand. »Wer?«
»Die Swales. Du hättest mein Haar weiß machen müssen. Es ist ja sowieso schon halb weiß.«
»Nicht halb«, protestierte Reeth.
Verrol sah sehr nachdenklich aus. »In ihrem noblen Stadtviertel werden sie die Plakate wahrscheinlich gar nicht sehen.«
»Aber die Milizionäre werden sie sehen«, entgegnete Mave.
Darauf wusste Reeth eine Antwort. »Es heißt, dass die Milizen davonziehen.«
»Was, sie verlassen
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