Song of the Slums
wollen Sie sprechen.«
• 50 •
Astor wurde durch den Korridor in den nächsten Wagen eskortiert. Dabei handelte es sich um einen Speisewagen: einen langen offenen Raum mit polierten Tischen, die mit Tischsets, Tafelsilber, Porzellan, Gläsern und stilvoll gefalteten Servietten gedeckt waren. Von der Decke hingen glitzernde Kristalllüster, die den Raum erhellten. Auch hier waren die Fensterläden geschlossen, aber an einigen Stellen schimmerte Tageslicht durch Ritzen und Fugen.
Verrol, Mave, Ollifer, Purdy und Reeth hatten bereits an einem der Tische Platz genommen. Bedienstete machten sich überall zu schaffen, aber es handelte sich nicht um livrierte Dienstleute, sondern um einfache Kellner.
»Nimm Platz!« Reeth wedelte mit seinem Arm.
Er zumindest erschien nicht besonders besorgt. Astor setzte sich und folgte seinem Blick zum anderen Ende des Speisewagens. Alle drei Swale-Brüder standen dort, Lorrain ebenso wie Bartizan und Phillidas.
Im nächsten Moment bewegten sie sich auf die Band zu. Bartizan lächelte leutselig, die Daumen eingehakt in den Taschen seiner Weste. Lorrain starrte Astor an, als würden ihm gleich die Augen aus dem Kopf fallen. Phillidas sah so ausgemergelt aus wie eh und je, ausdruckslos hinter seinen getönten Brillengläsern.
Knapp zwei Meter vor ihnen blieb Bartizan stehen, die beiden anderen dann auch. »So, so, da wären wir also alle.« Er nickte Astor zu. »Sie haben sich allerdings etwas verändert, seit wir Sie zum letzten Mal gesehen haben.«
Er sprach natürlich von ihren Haaren. Und gewiss war das der Grund, weshalb Lorrain sie so anstarrte. Astor selbst dachte kaum noch daran, aber das Weiß ihrer Haare musste inzwischen von weitem sichtbar sein.
Sie vertrieb Lorrain aus ihren Gedanken und konzentrierte sich auf Bartizan. »Ihre Jagd war also erfolgreich«, fuhr sie ihn an. »Und was machen Sie nun mit uns, nachdem sie uns gefangen haben?«
»Ich würde nicht von
Jagd
sprechen.« Bartizan schien sich zu amüsieren. »Wir haben Sie natürlich observieren lassen, und regelmäßige Berichte über Sie, ihn und die Band erhalten.«
Bei dem Wort
ihn
hatte er zu Verrol geblickt, aber Verrol schien sich nicht angesprochen zu fühlen.
»Also: Es sieht folgendermaßen aus«, fuhr Bartizan fort. »Wir haben eine neue Situation. Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Wir betrachten euch nicht länger als Gegner, sondern als Verbündete.«
»Wir haben jetzt dieselben Interessen«, sagte Phillidas.
»Wir sind jetzt sozusagen auf derselben Seite. Unter einer Decke«, bestärkte ihn Bartizan. »Ihr verfügt über Informationen, mit denen ihr uns Probleme bereiten könntet. Aber warum solltet ihr das tun? Wir können euch helfen, und ihr könnt uns helfen.«
Astor kam die Situation immer unwirklicher vor. »Und warum haben Sie uns dann betäubt? Wieso haben Sie uns eingesperrt?«
»Eine unschöne kurzfristige Notwendigkeit«, sagte Bartizan, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wir waren der Meinung, Sie würden unser Angebot sonst nicht anhören.«
»Darauf können Sie wetten«, murmelte Astor.
»Sehen Sie! Sie hätten sich davongemacht, ohne uns anzuhören.«
Purdy meldete sich zu Wort: »Mit anderen Worten: Wir dürfen gehen, wenn wir wollen?«
»Selbstverständlich, selbstverständlich.« Bartizan war die Güte in Person. »Wenn unser Angebot Sie nicht interessiert …«
»Allerdings wäre es klüger zu warten, bis wir London erreicht haben«, mischte sich Phillidas ein. »Oder wollen Sie etwa aus einem fahrenden Zug springen?«
Soll das eine kleine Warnung sein?, fragte sich Astor. Sie traute den Swales nicht einen Millimeter über den Weg, nicht nach der Behandlung, die sie ihr hatten zuteil werden lassen.
»Wir sind also auf dem Weg nach London?«, fragte Ollifer.
»In der Tat, das sind wir«, strahlte Bartizan. »Der Hauptstadt Englands, wo man ein Vermögen verdienen kann. Und letztendlich seid ihr ja Unternehmer, wenn auch auf eure ganz eigene Weise, denn ihr habt die Initiative ergriffen und etwas Neues entwickelt, das sich verkaufen lässt.«
»Und wir sind gewillt zu kaufen«, fügte Phillidas hinzu.
»Swale Brothers Incorporated ist immer auf der Suche nach potentiell gewinnbringenden Unternehmen«, fuhr Bartizan fort. »Insbesondere in der jetzigen Phase des industriellen Abschwungs. Wir sind davon überzeugt, dass ihr ein sehr gut verkäufliches Produkt entwickelt habt.«
Der Ausdruck auf Maves zartem Gesicht zeigte, wie verwirrt sie war. »Wovon sprechen die
Weitere Kostenlose Bücher