Song of the Slums
ein Geist für dich
,
Verrol, du kannst meine Liebe nicht spüren
,
sie ist kein Teil deiner Wirklichkeit
.
Astor traute ihren Ohren kaum –
Verrol, du kannst meine Liebe nicht spüren
. Verrol? Mave hatte den Lovesong für
Verrol
geschrieben! Und für die Version, die sie mit der Band gespielt hatte, hatte sie diese Zeile verändert!
Ohne nachzudenken schob Astor die Tür beiseite und trat in Maves Abteil. Mave saß mit dem Rücken zur Tür auf dem Bett, nun unterbrach sie ihr Spiel und drehte sich hastig um, ihre schwarzumrandeten Augen vor Überraschung weit geöffnet. Sie wirkte sehr klein und verletzlich.
»Verrol!«, rief Astor aus.
Sie hatte es nicht anklagend gemeint, aber ein schuldbewusster Ausdruck überzog Maves Gesicht.
»Das war privat. Du hättest nicht zuhören dürfen.«
»Du bist in ihn verliebt?«
Mave starrte auf ihr Melodium. »Vielleicht habe ich mir ja die Worte nur für den Song ausgedacht.«
»Nein, so was machst du nicht. Deine Songs beschreiben echte Gefühle. Wie lange fühlst du schon so?«
Mave hielt ihre Augen gesenkt und sagte nichts. Das Schweigen machte Astor ungeduldig, außerdem war sie verärgert über Maves Unglücklichsein.
»So geht das nicht. Es bricht dir ja das Herz. Das kann ich nicht mit ansehen. Du musst etwas
tun
.«
»Ich will aber nicht mit dir konkurrieren«, sagte Mave.
»Mit mir? Was soll das denn heißen?«
»Du und er …«
»Red nicht so einen Quatsch. Zwischen ihm und mir ist nie etwas gewesen.« Astor machte eine Pause und erinnerte sich. »In Ordnung, es hätte vielleicht vor einiger Zeit mehr daraus werden können. Aber jetzt nicht mehr. Es ist aus. Vorbei. Unmöglich.«
Mave blickte sie zweifelnd an. »Egal, ich hätte sowieso keine Chance bei ihm.«
»Doch. Hättest du wohl. Was ist so besonders an ihm? Er ist auch nur ein Mann.«
»Er ist ein Prinz.«
»Ein Prinz?«
»Für mich.«
»Häh? Er war ein Dienstbote, als ich ihn kennengelernt habe. Du solltest dich selbst nicht so unterbewerten. Du bist auf eine ungewöhnliche Weise wunderschön und hast einen sanften, lieben Charakter.«
Ein wehmütiges Lächeln huschte über Maves Gesicht. »Ich glaube, er hätte lieber eine, die nicht so sanft und lieb ist.«
»Woher willst du das denn wissen? Warum versuchst du das denn nicht erst einmal herauszufinden? Sonst mach ich das eben für dich.«
»Nein. Bitte nicht!«
»Aber du musst doch wissen, wie es um ihn steht. Wenn er sich auch für dich interessiert, gut. Wenn nicht, kannst du die Sache abhaken und dich anderen Dingen zuwenden. Du kannst doch nicht die ganze Zeit mit einem gebrochenen Herzen leben.«
»Doch, das kann ich«, murmelte Mave.
Maves mangelnde Tatkraft war für Astor unerträglich. »Ich werde ihn fragen, wie seine Gefühle für dich sind. Aber ich werde ihm nicht erzählen, wie es um deine Gefühle steht.«
»Ich würde sterben, wenn er es wüsste«, sagte Mave. »Es ist einfach nur ein Wunschtraum.«
»Wie auch immer, ich werde es herausbekommen«, sagte Astor energisch. »Und zwar jetzt sofort.«
Sie eilte aus dem Abteil. In ihrem Kopf wirbelte alles durcheinander, und widersprüchliche Gefühle formten sich zu einem Knoten in ihrer Brust. Sie wusste selbst nicht so genau, was sie gerade tat. Aber anders als Mave musste sie
irgendetwas
tun.
• 53 •
Verrols Tür war noch immer geschlossen und die Gardine zugezogen. Astor klopfte einmal und schob dann die Tür auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Er kniete beim Fenster auf der anderen Seite des Abteils und hielt ein Tafelmesser in der Hand. Ähnliche Messer lagen auf dem Fußboden um ihn herum.
»Ja, ja, alles gestohlen«, er grinste, als er ihrem Blick folgte. »Ich hab mir nach dem Frühstück mal ein paar Messer aus dem Speisewagen geborgt. Und damit habe ich die Fensterläden bearbeitet.«
Jetzt bemerkte Astor, wie abgenutzt die Messer auf dem Boden waren und dass überall Eisenspäne glitzerten. Er hatte die Bolzen, die die Läden mit den Fensterrahmen verbanden, durchgesägt.
»Fast fertig«, sagte er. »Ich möchte eben einfach eine schönere Aussicht haben. Mach die Tür hinter dir zu.«
Er fing wieder an zu sägen, während Astor die Tür zuschob. Ihn jetzt nach Mave zu fragen, war schwer möglich, denn solange er mit dieser Aufgabe beschäftigt war, konnte sie kaum die Unterhaltung in die richtige Richtung bringen.
»So«, sagte er, als ein weiterer Bolzen absprang und über den Fußboden kullerte, »jetzt sollte es klappen.«
Er stellte sich
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