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Song of the Slums

Song of the Slums

Titel: Song of the Slums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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von deiner erzählt.«
    »Versuch jetzt nicht den Spieß umzudrehen. Tu das
nicht

    »Das war’s dann wohl. Du wirst mich von jetzt an für immer hassen?«
    Astor weigerte sich, ihm zu antworten oder ihn auch nur anzusehen. Eine ganze Minute stand sie noch da und starrte blickleer nach draußen. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ das Abteil.

DRITTER TEIL

London


• 54 •
    London Town war der Wahnsinn, ein wilder Wirbel der Geschäftigkeit. Kaum hatte der Zug in Fenchurch Street Station gehalten, setzte ein unglaublicher Lärm ein: Pfiffe von Dampfpfeifen und Trillerpfeifen, Glockengeläut, Geschrei und Sirenen. Die riesige Halle war erfüllt von einer Million dröhnender Geräusche. Blau uniformierte Bahnbeamte liefen mit ernsten gedankenversunkenen Gesichtern auf und ab, Jungen mit ihren Verkaufswägelchen priesen gestikulierend ihre Waren an, grün uniformierte Gepäckträger rannten zwischen den Dampfschwaden hin und her.
    Ein Dutzend Swale-Bedienstete bildete eine Schutzwand um die Band herum und eskortierte sie durch das Gedränge. Astor blickte ungläubig den an Drahtseilen durch die Luft wirbelnden Gepäckstücken hinterher; sie starrte auf Automaten, in denen silberne, mit Essen beladene Tabletts endlos hinter Glaswänden rotierten, und auf die Messerklingen einer Wurstmaschine, die eine endlose heiße Wurst in mundgerechte Würstchen zerteilte. In ihrem Kopf schwirrte alles durcheinander, als sie plötzlich aus dem Bahnhof hinaus in die relative Ruhe einer Straße traten.
    Es war später Nachmittag, aber doch schon so dunkel, dass die Straßenlaternen angezündet worden waren, deren trüber Schein das Dunkel nur wenig erhellte. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt und ließ die Bürgersteige und Straßen schwarz glänzen.
    An einer erhöhten Plattform, ähnlich den Bahnsteigen im Inneren des Bahnhofs, warteten Droschken auf Passagiere. Obgleich Astor in London aufgewachsen war, hatte sie nie in ihrem Leben so viele unterschiedliche Fahrzeuge gesehen: Es gab Dampflokomobile, die Gepäckwagen hinter sich herzogen, stromlinienförmige Velozipede und Rikschas aus Rohrgeflecht, die von einem Uhrwerk mit einer großen Spiralfeder angetrieben wurden. Im Vergleich dazu sahen die von Pferden gezogenen Droschken altmodisch aus.
    Bartizan und Phillidas waren nirgendwo zu sehen, und so wandte Astor sich an Reeth: »Wohin geht es denn jetzt?«
    »Zur Royal George Hall.«
    »Was? Jetzt sofort?«
    »Ihr tretet heute Abend auf.«
    »Aber … das ist unmöglich.«
    »Nicht für die Swales. Macht und Geld. Sie bekommen, was sie wollen. Und sie bekommen es schnell.«
    Offensichtlich hatte er mit den Swale-Brüdern gesprochen und schien die Verbindung zu Geld und Macht zu genießen.
    Die Bediensteten geleiteten sie zu dem Anhänger eines Dampfwagens, der die Form eines Pferdes hatte. Er verfügte über den üblichen Heizkessel, ein Schwungrad und eine Feuerkammer, aber sein vorderer Teil war von dem glänzenden Eisenabguss eines Pferdekopfs ummantelt. Reeth und die Band nahmen auf den beiden vorderen Bänken unter einem Baldachin Platz, während die Bediensteten die Reihen hinter ihnen füllten.
    Die Fahrt quer durch London war wie eine unwirkliche Phantasmagorie. Der Dampfwagen raste durch die großen Einkaufsstraßen des Westend, wobei er ständig warnend seine Dampfpfeife erklingen ließ, um langsamere Fahrzeuge wie Rikschas, Fahrräder und Hundewagen beiseite zu drängen. Trotz des Nieselregens drängten sich Menschen auf den Bürgersteigen. Von Drähten über den Köpfen klingelten Glöckchen, und rote und grüne Gasflammen schossen aus gewundenen Messingrohren, die die Schaufensterfronten umrahmten. Die Geschäfte selbst waren richtiggehende Paläste, deren riesige gläserne Schaufenster die Lichter vielfach widerspiegelten. Glas war das dominante Material – überall – sogar Statuen aus Glas sah man an den Straßenecken.
    Astor war schon zum Einkaufen im Westend gewesen, als ihr Vater noch lebte, doch inzwischen hatte sich hier alles vollkommen verändert. Jetzt hingen Ventilatoren an Halterungen über den Bürgersteigen, vermutlich, um den schlimmsten Smog zu vertreiben. Andere Ventilatoren bliesen warme parfümierte Luft aus den Geschäften; als Astor die exotischen Düfte einsog, spürte sie, welch eine Verlockung von ihnen ausging. Auf den Bürgersteigen standen Anschlagtafeln, in den Schaufenstern hingen Schilder, an den Laternenpfosten klebten Plakate; kein Zentimeter Platz

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