Song of the Slums
war freigeblieben. Es war alles so hell und so bunt und so viel – geradezu erschlagend!
Selbst der Himmel war besetzt. Als Astor nach oben sah, erblickte sie große mit Slogans und lächelnden Gesichtern bemalte Ballons, die sich langsam um sich selbst drehten.
Der Blick nach unten enthüllte nicht weniger Erstaunliches. Immer wieder wich das Straßenpflaster für zwanzig oder dreißig Meter einem Metallgitter, über das ihr Wagen ratterte. Als Astor durch ein Gitter in die Tiefe sah, erblickte sie unter sich eine andere Straße, die quer zu ihrer verlief: eine komplette weitere Ebene von Gaslaternen und Schaufenstern, über die ihr Wagen einfach hinwegfuhr.
Astor saß da und drehte den Kopf fasziniert in jede Richtung. Diese gewaltige Metropole fühlte sich
wirklich
wie das Herz des Empire an. Sie erinnerte sich, dass ihr Vater immer von der
Stadt, wo Träume wahr werden
gesprochen hatte. Würden auch die Träume der Rowdys wahr werden?
Die Zeit war wie im Fluge vergangen, und schon hielt der Dampfwagen vor der runden Fassade der Royal George Hall. Rosa Marmor setzte sich gegen die schwarz gefliesten Wände ab, monumentale Pfeiler, die eine enorme von grünem Kupferblech bedeckte Kuppel trugen, reckten sich in den Himmel.
»Das soll für
uns
sein?«, rief Mave, als sie aus ihrem Wagen stiegen.
Die Band stand reglos in Bewunderung versunken, bis die Swale-Bediensteten sie wieder umringten und in eine Richtung trieben.
»Da entlang! Da entlang!«
Sie mussten halb um das Gebäude herumlaufen, bis sie eine nicht weiter gekennzeichnete Tür erreichten. Dort wurden sie von den Swale-Brüdern erwartet, mit einem wachhabenden Polizisten an ihrer Seite. Auf ein Zeichen Bartizans öffnete der Polizist die Tür und trat beiseite. Die Swales, gefolgt von Reeth und der Band, traten ein, nicht aber die Bediensteten der Swales.
Sie stiegen viele Treppen hinauf, bis sie einen Korridor erreichten, der mit einem Teppich ausgelegt war, auf dem es sich lief wie auf frischem grünen Gras. Am anderen Ende des Korridors standen zwei Männer, die erregt miteinander stritten. Einer von ihnen trug eine buntkarierte Weste und hatte einen buschigen Schnurrbart sowie einen Backenbart; der andere trug einen dunklen Dreiteiler, auf dem man die silberne Kette einer Taschenuhr ausmachen konnte.
Als sie näher kamen, bemerkte Astor, dass auch andere in diese Auseinandersetzung verwickelt waren. Aus einer offenen Tür auf der linken Seite des Korridors blickten viele Gesichter: missmutige Gesichter, ängstliche Gesichter. Der Mann in der karierten Weste gestikulierte in ihre Richtung, als riefe er sie zur Hilfe. Er gestikulierte sehr viel, spreizte seine Hände und warf seine Arme in theatralischen Gesten hin und her.
Bartizan ging schnellen Schrittes voran. »Was ist los, Mellencott?«, rief er.
Der Mann im Dreiteiler drehte sich sichtbar erleichtert zu ihm um. »Fosserby hat gerade erklärt, es gebe ein Problem. Ihr Telegramm ist zu spät gekommen, und so konnte er der Silver Rose Band nicht mehr absagen; also sind sie nun hier, um aufzutreten. Und jetzt behauptet er, er habe ihnen gegenüber vertragsmäßige Verpflichtungen.«
Der Mann, der Fosserby hieß, wandte sich an Bartizan und Phillidas. »Ich hätte ja gern getauscht, aber …« Eine weitere theatralische Geste verriet seine Hilflosigkeit. »Ich muss ein Unternehmen leiten, und sie haben einen rechtskräftig unterzeichneten Vertrag.«
»Ein
Aktienunternehmen
«, grummelte Bartizan, und es klang wie das Grummeln in einer Gewitterwolke, bevor der Donner einsetzt, »mit
Plutokraten
als Aktionären.«
Fosserbys Hilflosigkeit schlug in Verzweiflung um. »Ich tue alles, was ich kann. Wirklich alles. Nur sehe ich keine Möglichkeit …«
»Wie viel beträgt ihre Gage?«, fragte Phillidas kühl.
»Einhundert Guineen«, antwortete Fosserby.
»Wir zahlen ihnen zweihundert dafür, dass sie
nicht
spielen.«
»Sie können doch nicht einfach hier hereinschneien und alles übernehmen«, sagte eines der Gesichter in der Tür.
Aber genau das hatten die Swales vor. »Dreihundert«, sagte Phillidas.
»Das ist unser letztes Angebot«, fügte Bartizan hinzu. »Es ist ganz einfach: Entweder Sie akzeptieren, oder Sie lassen es.«
Die Gesichter in der Tür schüttelten ihre Köpfe. Jetzt fiel Astor auf, dass sie Posaunen und Trompeten in den Händen hielten.
»Wir brauchen Auftritte«, sagte einer von ihnen. »Das ist wichtig für uns.«
Phillidas gab sein brüllendes humorloses Lachen
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