Songkran
Theatralisch holte der Hagere zu einem weiteren Schlag aus. Diesmal war das Eisenstück auf Muus Unterschenkel gerichtet.
„Warte!“, rief der Muskelmann mit seiner sonoren Stimme. „Vergiss den Sprengstoff nicht!“
„Der Sprengstoff“, wiederholte der Hagere. Dabei kicherte er. „Danke dir. Das hätte ich fast vergessen“. Dann donnerte die Eisenstange gegen Muus durchnässtes Hosenbein.
Das Rätsel
Donnerstagmorgen
Der uniformierte Polizeikollege schüttelte voller Bedauern den Kopf. Tiefe Ringe der Übermüdung zeichneten sich unter seinen Augen ab. Mit leicht eingesunkenen Schultern stand er vor Guns Schreibtisch, der picobello aufgeräumt war. Guns spezielles Ablagesystem von Vorlage und Wiedervorlage erforderte eine strikte Ordnung auf der Schreibtischfläche. Guns Familienbild in der Mitte wirkte als Fremdkörper in dieser Komposition.
„Wie lange haben Sie gestern Nacht noch gesucht?“, fragte Gun, dem die Erschöpfung des Mannes auffiel.
„Bis um 12 Uhr.“
„Sie sollten doch heimgehen.“
„Ja, ich weiß Sir. Und ich war heute Morgen nochmal für zwei Stunden in der Thammasat und habe mich ein wenig umgehört. Keine Chance, Sir. Der Spitzname Muu ist einfach zu wenig“, seufzte der Kollege, setzte sich auf den bequemem Stuhl, nahm die Tasse heißen Kaffee vom Schreibtisch und nippte.
„Und das Foto?“, fragte Gun nachdenklich.
„Sir, die Polizei ist nicht sehr beliebt in unserem Land. Und vor allem nicht unter Studenten.“ Die Wohltat des Kaffees brachte Farbe zurück in die eingefallenen Gesichtszüge des Kollegen.
„Ich nehme an, das ist in den meisten Ländern ähnlich.“
Der Kollege nickte zustimmend: „Wahrscheinlich. Ich wollte nur sagen, dass wir nicht viel auf die Mitarbeit der Studenten hoffen können, schon gar nicht in der Thammasat.“
Mit dieser Bemerkung spielte der Polizist auf die blutigen Ereignisse des Jahres 1976 an, als unzählige Studenten auf dem Campus der Thammasat erschossen wurden. Das Massaker hatte die Rückkehr der Militärs an die Macht ermöglicht, nach wenigen Jahren parlamentarischer Demokratie, die turbulent und chaotisch gewesen waren.
Resigniert schaute Gun auf die Uhr. Der Superintendent hatte seinen Besuch angekündigt und die SOKO stand vor dem Nichts.
„Wann macht das Tap-Tip auf?“ Guns Ellenbogen waren auf der Schreibtischplatte aufgestützt und Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zupften an seiner Unterlippe.
„Erst am Nachmittag, Sir.“
„Das habe ich mir fast gedacht. Es ist jetzt exakt 9 Uhr 10. Ihr müsst noch mal die Bedienung vom Tap-Tip ausquetschen. Vielleicht weiß die doch noch was. Nehmen Sie Noi mit. Von Frau zu Frau kriegt sie vielleicht mehr raus.“
„Noi kommt erst um zwölf, Sir“, erwiderte der Kollege und erhob sich von seinem Platz.
„Stimmt, ich habe ihr freigegeben. Dann lassen wir die Kollegin ausschlafen. Gehen Sie alleine. Die Bedienung soll Ihnen so weit wie möglich schildern über was sie mit Muu gesprochen hat. Quetschen Sie die Frau aus. Vielleicht haben Sie ja Glück.“
„Verstanden, Sir!“
Mit der halbvollen Tasse in der Hand öffnete der Kollege die Bürotür. Auf der Türschwelle stieß er mit Superintendent Chaiyon zusammen, der in Guns Büro eilte.
„Es gibt Neuigkeiten, Gun“, hechelte Chaiyon, ohne den Kollegen mit der übergeschwappten Kaffeetasse zu beachten.
Der Superintendent wirkte abgehetzt. Gun erhob sich kurz und erbot einen militärischen Gruß. Chaiyon nickte. Sofort setzte er sich auf den bequemen Stuhl mit lederner Sitzfläche, die noch die Restwärme des Vorgängers abstrahlte.
„Wir müssen den Fall ans DSI abgeben“, sagte Chaiyon. Dabei schaute er an Guns Kopf vorbei auf das Porträt des Königs Phumipol, das an der Wand hing.
„Sir?“
„Gun, ich weiß auch nicht, was da vorgeht. Der Chef hat mich heute Morgen angerufen. Lumphini, also Sie und Ihr Team, sind aus dem Spiel. So einfach ist das.“
„Sir, wir stehen kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Ermittlungen. Wir sind so nah dran.“ Gun formte mit Daumen und Zeigefinger einen engen Spalt.
„Gun, Sie übertreiben maßlos. Was haben Sie denn? Einen Spitznamen.“ Chaiyon winkte ab.
„Sie haben recht, Sir. Wir haben zur Zeit eine Pechsträhne. Ich wollte gerade noch mal zwei Beamte zu der Bedienung vom Tap-Tip schicken. Ich bin sicher, die weiß mehr.“
„Auf keinen Fall, Gun. Pfeifen Sie ihre Leute zurück. Die Polizei ist aus dem Spiel. Der Chef war da ganz
Weitere Kostenlose Bücher