Sonne, Wind und Mord (German Edition)
sehr
zugeknöpft und hatte keinerlei Sinn für Humor, das hatte der Politiker schon an
seinem ersten Arbeitstag festgestellt. Greenly wusste nicht genau, was ihn
geritten hatte Dennis einzustellen. Natürlich hatte er viele Bewerbungen
erhalten und manche hatten auch vielversprechend ausgesehen, aber die Kompetenz
der Bewerber war unter dem Niveau geblieben, das Greenly suchte. Dennis war der
Einzige gewesen, der in dieser Hinsicht herausgeragt hatte. Der junge Mann
arbeitete jetzt schon seit fast einem halben Jahr für ihn. Und Greenly konnte
keine weiteren gravierenden sozialen Defizite ausmachen, zumindest keine, die
offensichtlich da lagen. Was Dennis privat trieb, ob er irgendwelche Fetische
hegte oder kranke sexuelle Vorlieben hatte, das ging Michael Greenly nichts an
und solange Dennis funktionierte wie bisher, interessierte ihn das schlichtweg
nicht. Dennis erledigte alles, was man ihm auftrug, ohne zu zögern und ohne jemals
einen Wunsch offen zu lassen. Vermutlich hätte er dem Umweltpolitiker, nach dem
Toilettenbesuch, den Hintern abgewischt, wenn man es ihm aufgetragen hätte. Er
war einfach der perfekte Sekretär. Er fragte nicht nach, er führte einfach aus.
Ein vollkommen unbedenklicher Charakter, der niemals ein Geheimnis preisgeben
oder Dinge von höchst privater Natur an die Öffentlichkeit tragen würde. Das
hing vermutlich auch damit zusammen, dass Greenly ihn andernfalls, ohne mit der
Wimper zu zucken, eigenhändig erwürgt hätte.
Während Michael Greenly auf dem weichen Bett
saß und müde seinen Mantel abstreifte, beendete Dennis im Nebenzimmer das
Gespräch.
„Sie werden Ihnen eine persönliche
Entschuldigung zukommen lassen, Mr. Greenly“, sagte er zufrieden mit gewohnt dünner
Stimme und fragte dann: „Kann ich noch etwas für Sie tun?“
„Gut gemacht, Dennis. Im Moment nichts mehr,
danke. Seien Sie doch nur noch so nett und hängen meinen Mantel an den
Kleiderständer neben der Tür. Dann können Sie sich bis heute Abend freinehmen.
Ich benötige Ihre Dienste wohl erst wieder kurz vor der Konferenz. Ich werde
mich ein wenig ausruhen und danach noch einmal meine Rede durchgehen.“
„Habe verstanden, Mr. Greenly. Ich drücke
Ihnen die Daumen für heute Abend“, erwiderte der Sekretär ergeben.
„Danke, Dennis.“
„Keine Ursache, Mister Greenly. Wenn Sie
mich dennoch brauchen, ich lasse mein Handy eingeschaltet und werde ein wenig
mit meinem Netbook arbeiten.“
Der Sekretär nahm Michael den Mantel ab,
nickte höflich zum Abschied und ging damit zur Tür. Nachdem er das
Kleidungsstück jedoch pflichtbewusst aufgehängt hatte, fiel - wie beiläufig-
ein roter Zettel aus einer der Außentaschen des Loro Piana Mantels direkt auf
den beheizten Marmorfußboden.
Ohne großes Interesse, wohl in der Annahme, es
handele sich um eine unwichtige Notiz Greenlys, bückte sich Dennis nach dem
Zettel, auf dem in großen schwarzen Lettern nur ein oder zwei Sätze geschrieben
standen. Er verharrte kurz und hatte eigentlich vor, das Zimmer zu verlassen.
Eine Hand lag bereits auf dem Türknopf.
Als er das Schriftstück jedoch genauer in
Augenschein nahm, breitete sich in seinem ohnehin schon fahlen Gesicht die
Blässe noch ein bisschen weiter aus. Es verstrich ein kurzer Augenblick, ehe
Dennis die Worte wiederfand und sich noch einmal, mit höchst verunsicherten
Worten, seinem Arbeitgeber zuwandte.
„Mister… ähm… Mister Greenly“, stotterte er
unbeholfen, „Ich denke, das sollten Sie sich anschauen.“
Langsam schritt er auf Greenly zu und übergab
dem verwirrten Politiker den Zettel. Das Gesicht des jungen Sekretärs war
mittlerweile durchaus mit dem Erscheinungsbild eines griechischen Fetakäses
vergleichbar, aber auch aus dem Gesicht des Kongressabgeordneten wich, nachdem
er den Notizzettel zwei, drei Mal überflogen hatte, schnell jegliche Farbe. In
großen schwarzen Druckbuchstaben stand dort geschrieben.
ICH BEHALTE DICH IM AUGE
MICHAEL GREENLY! PASS AUF WAS DU TUST!
Und darunter stand kleiner.
Das worauf du wartest
wird nicht eintreffen! Versprochen!
–
ein Bewunderer
Obwohl sichtlich
geschockt über das ominöse Schriftstück, fand Michael Greenly recht schnell
seine Stimme wieder.
„Was zum Teufel hat das zu bedeuten, Dennis?
Und woher kommt das?!“, fragte er harsch und seine voluminöse Stimme klingelte
in den Ohren des Sekretärs.
„Verzeihung, Mister Greenly, aber ich weiß es…
ich weiß es nicht. Es fiel eben aus Ihrer Manteltasche“, antwortete
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