Sonnenfeuer
zurückzukehren. Denn niemand war besser dazu geeignet, seine Reederei zu leiten, als er.
6
B ei ihrer Rückkehr nach Cooktown mußte Diamond feststellen, daß sich die ganze Gegend verändert hatte. In der Flußmündung drängten sich Schiffe, und am Ufer türmten sich Unmengen von Waren. Aus allen Ecken drang der Lärm von Hämmern und Sägen. Pferdegespanne zogen Balken hinter sich her, um die Hauptstraße zu ebnen, und überall herrschte ein reges Treiben. Diamond staunte, wie viele Pferde diese unternehmungslustigen Leute in der kurzen Zeit herbeigeschafft hatten, aber noch mehr verwunderte sie die Anzahl der Chinesen. Inzwischen schien es mehr von ihnen zu geben als Weiße. Hunderte von gutgekleideten Männern, die so ähnlich aussahen wie Mr. Chin, füllten die Straße. Ihnen folgten die Kulis, die sich, gebeugt unter der Last ihrer Bündel und Körbe, einen Weg durch das lärmende Getümmel bahnten.
Endlich hatte Diamond das kleine Verwaltungsgebäude gefunden und zwängte sich durch die schwitzenden Menschen, die vor der Tür herumstanden. Im Inneren herrschte eine glühende Hitze, und als Diamond aufblickte, erkannte sie auch, warum. Das Haus hatte ein Dach aus Wellblech, das inzwischen so heiß geworden war, daß man ein Ei hätte darauf braten können. Diese Leute werden es nie lernen, dachte sie, wobei sie das kühle Blätterdach eines Gunyah im Land der Irukandji vor Augen hatte. Dennoch fühlte sie sich nicht als Außenseiterin zwischen all den seltsam gekleideten Männern und Frauen. Die Kleider, die Diamond im Busch zurückgelassen hatte, waren von oben bis unten mit Schimmel bedeckt gewesen. Deswegen hatte sie sie in einem Bach auswaschen müssen, und jetzt waren sie völlig zerknittert. Doch als sie sich umsah, stellte sie fest, daß es offenbar nicht nur ihr so ergangen war, denn ein modriger Geruch lag in der Luft.
Das Regierungsbüro diente eigentlich eher als Nachrichtenbörse, und so dauerte es nicht lange, bis sie erfuhr, daß Lew und Mr. Chin Cooktown schon vor einiger Zeit verlassen hatten. Also machte sie sich auf die Suche nach der Familie Bourke. Jim Bourke baute gerade seinen Laden. Er hatte sich überlegt, daß er in diesem neuen Städtchen als Krämer am schnellsten zu Wohlstand kommen würde. Seine Frau war mit dem Schiff zurück nach Townsville gefahren, um Waren einzukaufen.
Marie Bourke freute sich, Diamond wiederzusehen. »Diamond! Wo bist du gewesen? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«
»Ich bin in den Bergen herumgestreift«, antwortete sie vorsichtig. Ihr Gold hatte sie vergraben, damit es nicht in die falschen Hände geriet.
»Was für ein Glück, daß sie dich nicht einen Kopf kürzer gemacht haben«, meinte Jim Bourke. »Diese Schwarzen sollen ja wahre Teufel sein.«
»Was ist mit deinem Volk? Hast du es gefunden?« erkundigte sich Marie.
Diamond schüttelte den Kopf. Vielleicht würde es gefährlich für sie werden, wenn die Leute herausfanden, daß sie eine der hiesigen Aborigines war. Man konnte schließlich nicht wissen, wie die Weißen das aufnehmen würden. »Nein, aber ich habe eine ganze Menge Eingeborene getroffen, die sehr freundlich zu mir waren. Ich verstehe nicht, warum sich alle so aufregen.«
»Na, du hast eben die richtige Hautfarbe«, meinte Jim Bourke.
»Kann ich Ihnen helfen, Mr. Bourke?« fragte Diamond. »Die Arbeit wächst Ihnen ja über den Kopf!«
»Arbeit habe ich mehr als genug, aber zahlen kann ich nicht.«
»Ich brauche keinen Lohn, nur ein Dach über dem Kopf. Ich könnte für Sie Fische fangen …«
»Abgemacht«, schlug er ein.
Im Augenblick konnte sie mit ihrem Gold noch nichts anfangen. Wenigstens nicht, bis die ersten Männer mit ihren Funden vom Palmer zurückkehrten. Wenn sie das Gold jetzt schon herumzeigte, würden sich alle auf sie stürzen wie ein Rudel Dingos, um herauszufinden, woher sie es hatte. Und dann konnte es gefährlich für sie werden, da jeder daraus schließen konnte, daß sie nicht bei den Goldfeldern gewesen war. Am besten wartete sie also ab, bis Mr. Chin zurückkehrte, ehe sie unter seinem Schutz die Rückreise in den Süden antrat.
Marie Bourke hatte ihre Reisetasche aufbewahrt, so daß Diamond sich umziehen konnte. Darin befand sich auch die Geldbörse mit ihren Ersparnissen aus der Zeit in Mr. Chins Haus. Das würde für eine Weile reichen.
Jim Bourke deckte seinen Laden nicht mit Wellblech, sondern mit einem Dach aus Schindeln. Den Fußboden ebnete er ein, indem er den Staub einiger
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