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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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Unsere Linie war gelb. Bei der Kendlerstrasse stiegen wir aus.
    Zügig legten wir die  paar hundert Meter zu Begićs Pflegeheim zu Fuss zurück. Am Ziel angelangt, betrachteten wir beim Vorbeispazieren diskret das unauffällige Äussere des mehrstöckigen roten Ziegelge bäu des. Über der automatischen Eingangstür aus Glas prangte der Schrift zug ‹Frohsinn›.
    «Das soll ein Pflegeheim sein?», fragte Ivica. «Sieht eher aus wie eine Bierbrauerei, wenn du mich fragst.»
    «Das ist Wien», antwortete ich. «Vielleicht ist es beides.»
    Er lachte und meinte: «Falls ja, will ich hier meinen Lebensabend verbringen.»
    Wir setzten uns ans Fenster eines Strassencafés, von dem aus wir das Heim im Auge behalten konnten. Der Kellner war gross, dünn, hatte Beine wie ein Storch und war kein Einheimischer, sondern ein Norddeutscher.
    Ich bestellte zwei Einspänner. Ivi schaute mich entgeistert an. Der Kellner hatte Mitleid mit ihm und erklärte: «Das is’n Mokka mit Schlagsahne drauf. Was sie hier Schlagobers nennen.»
    Mit einer Stimme, mit der manche Leute kleinen Kindern etwas erklären, ergänzte ich: «Schlagrahm, Ivi, Schlagrahm.»
    «Ich weiss, was Sahne ist, du Blödmann», knurrte er.
    Der Kellner lachte und verschwand in der Küche . Als er wenig später mit den Getränken zurückkam, bezahlte ich sofort . Nachdem ich ihm ein anständiges Trinkgeld gegeben hatte, fragte ich beiläufig: «Eine Frage noch … Mein Freund hier und ich haben uns gerade gefragt , was sich wohl in diesem Gebäude dort drüben befindet. Das rote aus Ziegeln da. Ich tippe auf eine Bierbrauerei, aber mein Freund meint, das gehöre sicher der Stadtverwaltung.»
    Statt zu antworten, tippte sich der Kellner mit dem Zeigefinger vielsagend an die Stirn. Wir starrten ihn beide verständnislos an. Er wiederholte die Gebärde.
    «Was soll der Scheiss?», knurrte Ivica ihn an.
    Ich hielt meine Hand auf, um ihn zum Schweigen zu bringen, und fragte den Kellner: «Wie meinen S ie das?» Dabei imitierte ich seine Handbewegung von vorhin .
    «Na, das Gebäude! Der Frohsinn . Das is’n Irrenhaus!»
    «Ein Irrenhaus? Ist das der politisch korrekte Ausdruck?»
    Er grinste «Wahrscheinlich nicht. Und es ist auch nicht wirklich ein Irrenhaus. Es ist eine Anstalt für Leute mit psychischen Problemen. Schweren Depressionen und so.»
    Neugierig fragte ich: «Wie kommt es, dass S ie so gut informiert sind?»
    Er setzte eine wichtige Miene auf. «Na, das Personal trinkt hier öfter mal ‘ nen Kaffee, da schnappt man halt so einiges auf.» Dann stakste er davon, um zwei Neuankömmlinge zu begrüssen.
    Ivica und ich schauten uns an. «Also nicht einfach ein simples Pflegeheim für Senioren», dachte ich laut nach.
    «Sieht nicht so aus», pflichtete mir Ivica bei.
    Es war kurz nach halb sechs und daher in Anbetracht der Tatsache , dass dies Wien war, wohl zu spät für unsere Zwecke. Wir beschlossen, in die Innenstadt zu fahren und beim ‹Figlmüller› einzukehren. Ivica machte grosse Augen, als die Schnitzel kamen. Sie waren goldbraun, knusprig und vor allem so gross, dass beide Enden über den Rand der nicht eben kleinen Teller hinaus ragten . Dazu gab es ‹ Erdäpfel › und ‹ Vogerlsalat › . Für eine kurze Weile existierte nichts anderes mehr für uns .

Kapitel 26
     
    Kurz vor halb zehn am nächsten Morgen waren wir zurück in Ot takring und sassen erneut bei einem Einspänner.
    «Also», fragte Ivica, «was nun?»
    «Keine Ahnung » , erwiderte ich etwas ratlos. « Wie gesagt empfängt Bégic keinen Besuch. Sie wollten ihn nicht mal ans Telefon lassen.»
    «Wie wär’s damit?» Er beugte sich vor und erklärte mir seine Idee mit halb lauter Stimme. Begeistert war ich nicht, aber andererseits war sie erfolgs ver sprechen der als alles, was mir bisher eingefallen war.
    Fünfzehn Minuten später standen wir deshalb mit einem grossen Blumen strauss am verglasten Empfang des Frohsinns. Eine massive Mittvierzigerin mit streng zurückgebundenem grauem Haar unter einer weissen Kappe starrte uns arg wöhnisch an. Vor allem die Naht an meiner Schläfe und mein blaues Auge schienen sie misstrauisch zu machen.
    «Wos wuins?»
    «Das Zimmer von Herrn Begić, bitte. Zlatan Begić.»
    Sie blickte automatisch nach unten und begann auf einer versteckten Tastatur herum zu tippen. Der zugehörige Monitor war ebenfalls unter dem Empfangs tresen angebracht und für uns daher unsichtbar . Als sie wieder auf schaute, war ihre Miene noch ein wenig unfreundlicher.

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