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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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geworfen. Der Lärm der Schüsse und Explo sio nen vermisch te sich mit den Schreien der Opfer und dem Lachen, Grölen und Johlen der Mörder zu einem infernalischen Getöse.
    Begić schrie wie am Spiess. Überall flogen Granatsplitter, Kugeln und Körperteile herum. Irgendwann gelang es ihm, den Kopf ein wenig zu heben. Er sah seine Jugendfreunde und lebenslangen Nachbarn in ihrem Blut liegen, mit klaffenden Wunden, abgerissenen Körperteilen oder zerschmetterten Schädeln. Er selbst war zwar voller Blut, Haare und Knochensplitter von anderen , aber wie durch ein Wunder unverletzt geblieben, bis auf einen stechenden Schmerz im Oberschenkel. Der grosse Radstand vor ihm hatte ihn vor den Kugeln beschützt , und unerklärlicherweise schien ihn auch kein Granatsplitter getroffen zu haben. In der gleichen Sekunde, in de r ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, sah er zu seinem immensen Schrecken weitere Handgra naten durch ein nahes Fenster hereinfliegen , nicht weiter als einen Meter entfernt. Instinktiv presste er sich noch mehr auf den Boden und versuchte , sich hinter den Körpern der Männer um ihn herum zu verkriechen. Die Granaten explodierten eine nach der anderen. Die meisten waren unter die gleichen zwei, drei regungslosen Körper gerollt und zerfetzten diese nun völlig. Zwei landeten unmittelbar neben Begićs Nebenmann Samir Trebović. In letzter Sekunde versuchte dieser in Panik über Begić hinwegzurollen und schirmte ihn genau in dem Moment ab, als die Granate mit einem lauten U mpf ! explodierte. Samir rollte zur Seite und blieb regungslos und blutüberströmt liegen. Der Anblick war schrecklich, aber im ersten Moment dankte Begić Allah, dass er ihn verschont hatte. Später w ü rde er deswegen viele Jahre lang von immensen Schuldgefühlen geplagt werden .
    Irgendwann später hörte er dann , wie einer der Schlächter draussen An weisun gen gab. Gleich darauf gingen mehrere Autotüren auf und wieder zu. Dann heul ten Motoren auf.
    Begić blieb regungslos liegen, bis er die sich entfernenden G eräu sche nicht mehr vernahm . Dann stemmte er sich auf die Ellbogen, drückte seinen Rücken durch und versuchte erfolglos, seine Beine anzu ziehen. Es ging nicht. Langsam drehte er den Kopf. Samir Trebovićs zerfetzter und aus vielen Wunden blutender Oberkörper lag auf seinen Waden. Samirs leblose Augen starrten ihn anklagend an. Begić zog mit aller Kraft, und schliesslich gelang es ihm, sich zu befreien. Samirs sterbliche Hülle rollte auf die Seite und blieb dort in grotesker Pose halb auf einer andern Leiche liegen. Begić konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Gesicht und Schädel waren völlig zertrümmert , und graue Gehirnmasse war auf den Boden ausgeflossen. Erschüttert schloss e r die Augen und wandte sich ab.
    Plötzlich erstarrte er, wie vom Donner gerührt. Gerade hatte jemand ganz in der Nähe seinen Namen geflüstert. Er schüttelte den Kopf. Sein überlastete s Gehör musste ihm einen Streich gespielt haben. Aber nein, da war es wieder. Wie in Zeitlupe öffnete er seine Augen und hielt nach der Stimme Ausschau.
    Es war Mujo. «Bist d u verletzt?», fragte er.
    «Mein Bein…»
    «Lass mal sehen. Beug dich vor.»
    Mujo rollte zu Begić herüber , welcher der Aufforderung folgsam nachkam und sich auf die Hände gestützt nach vorne beugte. Mujo riss Begićs zerfledderte Hose mit einem Ruck auf und schaute sich die Wunde an. «Du hast ein paar Splitter abgekriegt», erklärte er, «aber es scheint nichts Lebenswichtiges verletzt zu sein. Du blutest auch kaum.»
    Im ersten Moment konnte Begić sein Glück kaum fassen. All dies und nur ein paar Kratzer! Aber dann erwachte er plötzlich wie aus einem Traum und realisierte erst die ganze Tragweite dessen, was passiert war. Er begann , frenetisch die Namen seiner Söhne zu schreien und die Toten neben sich umzudrehen, um ihre Gesichter sehen zu können.
    Mujo packte ihn von hinten, riss ihn zu sich runter und zischte: «Halt die Schnauze! Sonst gehen wir auch noch drauf!» Dann fügte er eindringlich hinzu: «Wenn sie tot sind, dann kannst du nichts mehr für sie tun. Aber du hast noch eine Frau. Du musst für sie überleben. Für sie und für die Anderen, denen du unsere Geschichte erzählen musst.»
    Begić verstummte erschrocken. Es wurde ihm bewusst, dass Mujos jüngerer Bruder Hasan ebenfalls im Bus gewesen war, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Schliesslich fragte er leise: «Und was

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