Sonnenfinsternis: Kriminalroman
ziemlich klar zu sein: Die Toten gehören zu einer notorischen Gangsterbande aus Voždovac . Da liegt die Vermutung nahe, dass die Schiesserei mit dem organisierten Ver bre chen zu tun hat. Das Zimmer, in dem wir eine der beiden Leichen gefunden haben, gehörte einem Kroaten. Wo der ist, wissen wir auch noch nicht, aber wir haben einen glaubhaften Tipp erhalten, dass der Name Sanader, unter dem er sich eingeschrieben hat, falsch ist. Eigentlich heisst er Nemec. Unter diesem Namen werden wir ihn zur Fahndung ausschreiben. Eventuell gehört er zu einem rivalisierenden Clan, aber auch das können wir noch nicht mit Sicherheit sagen. Eine genaue Beschreibung existiert nicht, da verschiedene Zeugen ihn sehr unterschiedlich beschreiben. Er ist kaum im Hotel gesehen worden. Ob er Komplizen hatte, wissen wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Fingerab drücke haben wir massenhaft gefunden, aber welche zu Nemec gehören, wissen wir nicht. Falls überhaupt welche.»
«Saubere Polizeiarbeit», meinte ich ironisch.
«Nicht wahr?» Er lachte erneut sein trockenes Lachen. «Um welche Zeit geht euer Flieger?»
«Kurz vor neun.»
«Okay. Ich kann aus deinem Freund keine Frau machen, aber ich werde schauen, dass unsere Personenbeschreibung ihm so wenig ähnlich sieht wie möglich. Wahrscheinlich wird die Fahndung sowieso erst irgendwann morgen Nach mittag rausgehen. Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen nun mal langsam.»
«Für einmal stört mich das wirklich nicht. Apropos: Was ist eigent lich mit dem ‹Werkzeug›, dass du uns geliehen hast?»
«Im Wagen könnt ihr’s nicht lassen. Deponiert’s irgendwo und schickt mir eine genaue Beschreibung des Standorts.»
«Ist gut. Schwebt dir gerade was vor?»
«Wo seid ihr jetzt?»
Ich schwieg. Er wartete. Ich schwieg weiter. Schliesslich meinte er gereizt: «Vertraut ihr mir immer noch nicht? Wenn ich euch reinlegen wollte, könnte ich mir das ganze Theater sparen und e uch einfach am Flughafen hops nehmen lassen.»
Das stimmte natürlich . Beschwichtigend antwortete ich: «Hey, das ist nicht persönlich gemeint. Aber wir wissen es selbst nicht so genau.»
«Na schön.» Ich konnte ihn richtiggehend denken hören. «Also, spätestens morgen früh müsst ihr ja zum Flughafen. Ganz in der Nähe ist der Bezanija-Friedhof. Auf der Karte besteht er aus lauter konzentrischen Kreisen. Ein wenig wie Kornkreise. Ihr werdet ihn sofort erkennen. Auf der E70 bei der Verzweigung Richtung Ostružnica raus Richtung Süden.»
«Okay. Und dann?»
«Wenn ihr dort seid, sucht ihr ein geeignetes Versteck, verpackt die Waffen in irgendwas und lasst mich dann wissen, wo genau sie sind.»
«Und die Munition?»
«Entsorgen. Auf keinen Fall mit den Waffen verstecken. Für den Fall, dass ein paar Kinder schneller sind als ich.»
«Gut. Alles klar, aber…» Ich war immer noch skeptisch. «Hör mal, kannst du uns deine Kollegen wirklich vom Hals halten?»
«Ich denke schon. Ich werde mein Bestes tun. Die Zeitverhältnisse sind auf eurer Seite.»
«Und wenn sie rausfinden, wer wir wirklich sind und uns inter natio nal zur Fahndung ausschreiben?»
«Das wird nicht passieren. Ich habe dir ja meine Theorie über den Tathergang bereits erzählt. So wird es in meinen Bericht kommen. Es ist eine rein interne Belgrader Angelegenheit. Ich würde mich nicht wundern, wenn auch der noch unbekannte Kroate sich als Belgrader Gangster herausstellen würde.»
«Okay.» Ich atmete tief ein und sagte ernst: «Ich weiss nicht, wie wir dir danken sollen.»
«Das müsst ihr nicht. Wie gesagt, ich mache das nicht für euch, sondern für unseren gemeinsamen Freund in Bern.»
«Ja, das hast du schon gesagt. Trotzdem danke. Wenn wir je etwas für dich tun können… E gal was…»
«Ich weiss. Guten Flug. Ich halte euch auf dem Laufenden.»
«Alles Gute, Fisch .»
Ich hörte ihn lachen, bevor er auflegte.
M ittlerweile war e s kurz vor drei Uhr morgens. Neben mir schnarch te Ivica bereits wieder. Ich boxte ihn in die Rippen, so dass er auf schreckte, und klärte ihn über den Stand der Dinge auf. Wir beschlos sen, die Sache gleich hinter uns zu bringen.
Eine halbe Stunde später waren wir zurück in unserem belaubten Versteck. Die Waffen hatten wir in einem kleinen Mausoleum auf dem Friedhof deponiert. Ich informierte Riba per SMS darüber und gönnte mir dann endlich noch ein wenig Schlaf, während Ivica Wache hielt. Drei Stunden später weckte er mich. «Guten Morgen, Schlafmütze!», grinste er. «Zeit, nach Hause
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