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Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Sonnenfinsternis: Kriminalroman

Titel: Sonnenfinsternis: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Moor
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kaltes Reptil, seelenlos, rücksichtslos, erbarmungslos. Er klang auch fast wie eine Echse, als er zischte: «Du benimmst dich genau wie ein Kanake, weisst du das? Du bist eine verdammte Schande für deine Rasse!»
    Ich affektierte einen weinerlichen Ton. «Vielleicht. Aber ich habe die Schnauze voll, mich ständig nur abzustrampeln. Ich hab immer nur Pech. Ich krieg einfach nie was. Anderen fällt immer alles in den Schoss, aber ich…»
    An der Neumarkt-Haltestelle wartete eine Traube Studierender . Rappolder blieb stehen und hob seine Hand in einer imperialen Geste, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich tat ihm den Gefallen. Er dachte ein paar Sekunden nach und sagte dann leise: «Also gut, du sollst was abhaben.»
    «Wie viel?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nicht hier. Komm heute Nachmittag zu mir. Um Punkt vier Uhr.»
    Ich verzog das Gesicht und erwiderte: «Ich bin doch nicht blöd. Ich weiss ja noch, was letztes Mal passiert ist.»
    Er war plötzlich wie ausgewechselt. Freundlich, einfühlsam und aufrichtig wie ein Gebrauchtwagenverkäufer. «Sicher, das verstehe ich . Aber überleg mal , i ch bin ja auch nicht blöd. Du hast doch sicher alles niedergeschrieben und irgendwo hinterlegt, nicht wahr? Damit ich gar nicht auf dumme Gedanken komme?» Er klang wie eine Kindergärt nerin, die ein besonders widerspenstiges Kind zum Mittagsschläfchen überreden will.
    Aber ich war auch nicht schlecht. Stockend antwortete ich leise: «Äh… ja, genau… also, ich… ja, es ist alles aufgeschrieben. Wenn mir etwas passiert, kommt alles raus.» Dazu warf ich ihm einen unsicheren Blick zu. Ein Oscar für van Gogh!
    Rappolder war die Konzilianz in Person. «Eben. Also kann ich es mir doch nicht leisten, dich zu verarschen. Verhalten wir uns wie Erwachsene und finden wir eine für beide Seiten akzeptable Lösung, ja ?»
    «Ja, das wäre super», sagte ich mit einer unüberhörbaren Note von Dank bar keit in der Stimme.
    Über sein Gesicht huschte erneut ein angewiderter Ausdruck, aber sofort setzte er wieder eine freundliche Miene auf. «Schön. Dann verschwindest du jetzt besser. Vier Uhr.»
    «Wieso treffen wir uns nicht woanders?»
    Er seuf z te un d erklärte : «Schau, ich muss sicher sein, dass du nicht verkabelt bist. Und ich kann das halt am b esten bei mir zu Hause kontrollieren. Das verstehst du doch, oder? Du bist ja abgesichert.»
    «Stimmt genau , das bin ich .»
    «Na also. Also kein Grund zur Sorge. I ch muss eben auch vorsichtig sein.»
    «Ja, das verstehe ich natürlich .»
    « Also dann: v ier Uhr.» Mit diesen Worten liess er mich stehen.
    Auf dem Weg zum Hauptbahnhof konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich hatte meine Rolle gut gespielt. Rappolder hatte wirklich nur zwei Möglichkeiten: e ntweder alles abblasen oder das Problem van Gogh lösen . Was auch immer das heissen mochte.
    Und wenn ich Recht behielt und er durch seinen Kontakt bei der Kantons poli zei weitere Informationen über mich einholen liess, würde das seinen negativen Ein druck wohl noch verstärken. Wer hätte gedacht, dass all der Mist, den Roth über mich verzapft e , irgendwann doch noch sein Gutes haben würde?

Kapitel 39
     
    Kurz nach halb zwei Uhr nachmittags parkierte ich hinter dem grossen, an einen Ostberliner Plattenbau erinnernden Wohnblock am Ortsrand von Opfikon, den ich wegen seiner Lage und Höhe ausgewählt hatte. Ich trug löcherige Jeans und einen alten, schlabbrigen Wollpullover, der früher wahrscheinlich einmal schwarz gewesen war. Mit meiner Beretta an der linken Hüfte , meinem schwarzen Rucksack über der Schulter und einem kleinen Klappstuhl in der Hand betrat ich das Gebäude durch den Hintereingang und fuhr mit dem schon etwas verlotterten Fahrstuhl ins oberste Stockwerk , wo ich es mir am Ende des schmalen Korridors bequem machte .
    Es war ein schöner Nachmittag . I n den goldenen Sonnenstrahlen , die durch die grossen Fenster des Treppenhauses einfielen, konnte ich das Spiel aufgewirbelte r Staubschwaden sehen. Ich rückte nahe an die Scheiben aus getöntem Glas und nahm mein Fernglas zur Hand. Von hier aus konnte ich die ganze Siedlung auf der gegenüberliegenden Strassenseite im Auge behalten, inklusive der Tiefgarage neinfahrt und dem Eingang von Rappolders Wohnblock.
    Ich liess meinen Blick umherschweifen. Strasse, Tiefgarage, Woh n block, Nachbargebäude, Woh n block, Tiefgaragen, Strasse… Nichts passierte.
    Hin und wieder erregte ein Fahrzeug meine Aufmerksamkeit, aber jedesmal war es

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