Sonnenfinsternis: Kriminalroman
Fehlalarm. Alte Damen, Lernfahrer und eine ausge spro chen gut gebaute Brü nette schienen mir nicht zu Rappolder zu passen . Dann endlich, um Viertel vor drei, fuhr ein blauer Opel Omega auf den Parkplatz des Nachbargebäudes. Er hielt an, aber niemand stieg aus, obwohl ich durch die Heckscheibe Bewegungen sah. Meine Neugier war geweckt, und nach etwas mehr als zehn Minuten wurde meine Geduld schliesslich belohnt: Das Fenster des Opels öffnete sich und eine Hand erschien. Sie schüttelte die Asche von einer Zigarette und verschwand wieder. Ich pfiff leise durch die Zähne. Der zugehörige Arm hatte im olivgrünen Ärmel einer Bomberjacke gesteckt. Ein Aussenposten?
Dann, um genau fünf nach drei, fuhr ein roter, auffällig zerbeulter VW Golf in die bunkerhafte Tiefgarage gegenüber. Aufgrund des Winkels konnte ich auch diesmal nicht ins Wageni nnere sehen, aber irgendetwas an de r Karre störte mich, und bevor er unter zwei Metern Beton verschwand, warf ich daher einen suchenden Blick auf das Wagenheck. Und plötzlich wusste ich, was mich störte : Neben der Autonummer prangte, weiss auf schwarz, ein kleiner Aufkleber .
Unter normalen Umständen hätte ich mir nichts dabei gedacht, aber mittlerweile war ich für solche Zahlenspielchen sensibilisiert. Ich erinnerte mich an Neu manns Ausführungen, wofür die 18 stand. Adolf Hitler . Wenn ich dieser Logik folgte, dann musste die vertikale Reihe wohl zwei Zahlen darstellen, da das latei ni sche Alphabet ja nicht hundertdreizehn Buchstaben aufweist. Also 11 und 3? Das wäre dann ‹K› und ‹C›. Darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Andere Möglichkeit: ‹1› und ‹13›. ‹A› und ‹M›. Aktion Mjölnir ? Ich richtete das Fern glas auf den blauen Opel , der immer noch am gleichen Ort stand, und wurde sofort fündig . Auch a n seinem Heck prangte ein solcher Aufkleber . Ich hatte ihn vorhin nicht bemerkt, weil ich nicht danach gesucht hatte. Eigentlich ziemlich dumm, sich so zu markieren. Aber dasselbe galt wohl auch für die grosse Haken kreuz tätowierung, die ich an Grubenhauer gesehen hatte und die er kaum als Einziger trug. Identität schien wichtiger zu sein als Geheimhaltung.
Nun war ich neugierig, wer im zerbeulten roten Volkswagen geses sen haben mochte . Gerade noch rechtzeitig richtete ich das Fernglas auf Rap pol ders glasver klei detes Treppenhaus, um eine kleine Gruppe vierschrötiger Glatzköpfe die Treppe ins Erdgeschoss hochsteigen zu sehen . Zuvorderst war der sympathi sche Harald, der Hasanović verpfiffen und meine Birne mit einem Baseball ver wech selt hatte. Dicht hinter ihm folgte ein weiterer Beteiligter des kleinen Tief garagen-Inter mezzos , dessen Namen ich aber immer noch nicht kannte . Beim Dritten hingegen war ich mir ziemlich sicher, dass ich ihn noch nie gesehen hatte . Er war noch grösser und breiter als die anderen und sah aus wie ein Wasserbüffel, den man in zu enge Jeans und eine beim Waschen eingegangene Bomberjacke gezwängt hatte.
Zufriedenheit und eine steigende Nervosität kämpften um die Vor herr schaft in mir. Einerseits verhielt sich Rappolder bisher genauso, wie ich das gehofft hatte. Andererseits folg er te ich daraus, dass es in seiner Wohnung gleich ziemlich zur Sache gehen konnte. Und falls ich den weiteren Verlauf des Abends nicht korrekt vorausgesehen hatte, konnte es sogar richtig übel für mich enden. Ich schluckte leer , leckte mir über die trockenen Lippen und nahm meine Beobachtungsroutine wieder auf.
Weitere zehn Minuten später fiel mir ein brauner Fiat auf. Jetzt, wo ich wusste, worauf ich schauen musste, sah ich den Aufkleber sofort. Der kleine Spaghettipanzer fuhr ebenfalls in die Tiefgarage gegenüber, und bald darauf keuchten zwei weitere Glatzköpfe die Treppe hoch. Das machte dann also insgesamt sechs, wenn man Rappolder mitzählte. Ich fragte mich, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte oder nicht. Er wollte ganz offensichtlich kein Risiko eingehen.
Ich rief Steiner an, um ihm die Kräfteverhältnisse durchzugeben und mich zu vergewissern, dass alles bereit war, dann machte ich mich kurz vor vier Uhr schweren Herzens auf den Weg. Ich war nicht gerade scharf auf das, was nun mit ziemlicher Sicherheit folgte, aber ich sah keine andere Möglichkeit. Also fuhr ich mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss, versorgte meine Ausrüstung samt Klappstuhl wieder im Wagen und überquerte zu Fuss die Strasse.
Rappolder wartete bereits oben. «Pünktlich wie die Feuerwehr», grinste er,
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