Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)
die Menschen ihre Gefährten gefangen und mitgenommen hatten. Diese Eule war in einem Wald gefangen genauso wie Schatten, wollte nur raus und verstand nicht, was mit ihnen passierte.
„Sie machen das auch mit uns“, sagte er mit einem schnellen Blick zu Marina. Er wusste nicht, ob das die richtige Strategie war.
„Lügner. Ihr Fledermäuse seid immer Gesetzesbrecher gewesen. Ihr habt diesen Krieg vom Zaun gebrochen, indem ihr nachts Vögel getötet habt. Die Tauben in der Stadt, dann Eulen, dann...“
„Das waren wir nicht“, sagte Schatten verzweifelt. „Es waren Fledermäuse.“
„Nein ... gut, ja, es waren Fledermäuse, aber nicht aus dem Norden. Sie sind aus dem Dschungel gekommen. Die Menschen haben sie von dort hierher gebracht und sie sind entkommen und...“
„Also sind die Menschen doch mit euch verbündet!“
„Nein!“ Er blickte ratlos zu Marina. Wie konnte er nur alles erklären?
„Es waren zwei von diesen Dschungelfledermäusen“, sagte Marina. „Sie haben Vögel gefressen. Sie haben Vierfüßler gefressen. Und sie haben Fledermäuse gefressen. Beinahe haben sie uns gefressen, wenn dich der Gedanke aufheitern kann. Sie waren Monster.“
„Und jetzt sind sie jedenfalls tot“, sagte Schatten mit einem schwachen Gefühl der Hoffnung. „Also ist alles, der ganze Krieg, nur ein Missverständnis. Wir wollen keinen Krieg.“
An dem starren Gesicht der Eule konnte er jedoch erkennen, dass sie alles andere als überzeugt war. Nur weitere Fledermauslügen, das dachte sie sich.
Die Eule schnaubte. „Es ist töricht, mit euch zu reden. Mit dem Feind.“
„Ich bin nicht dein Feind.“
„Alle Fledermäuse sind Feinde. Ihr tötet Vögel.“
„Aber ich habe dir doch gerade erklärt ... Hör zu, ich habe niemals irgendwelche Vögel getötet.“
„Nur weil du es nicht kannst.“
Plötzlich überkam Schatten ein Schuldgefühl. Die Eule hatte Recht.
Wie oft hatte er sich die Fähigkeit gewünscht, Eulen töten zu können? Schon so lange war er von einem Hass auf sie erfüllt gewesen.
„Hast du irgendwelche Fledermäuse getötet?“, fragte Schatten.
„Noch nicht.“
„Dann bist du auch nicht mein Feind.“
„Warum seid ihr dann hier, wenn ihr nicht mit den Menschen verbündet seid?“, fragte die Eule.
„Ich habe es dir schon gesagt. Sie sperren uns auch ein“, sagte Schatten. „Tausende von uns sind hier, und gestern sind die Menschen gekommen und haben einige von uns geholt, genauso wie sie es da drinnen mit euch gemacht haben.“
Die Eule dachte darüber anscheinend gründlich nach. „Wohin bringen sie sie?“
„Ich weiß es nicht“, sagte Schatten. „Das wollen wir ja gerade herausfinden. Wie lange bist du denn schon da drinnen?“
„Mehrere Wochen. Genau, seit der Winter richtig eingesetzt hat. Wir waren auf dem Flug zu unserem Überwinterungsplatz, da sind wir über dieses Gebäude geflogen. Wir haben Eulen gehört und sind näher gekommen. Es gab Öffnungen in der Mauer und es sah wie eine Scheune aus, gut zum Überwintern, deshalb sind wir hinein und haben den Wald vorgefunden. Und nachdem wir einmal drin waren ...“
„Gab es keinen Weg mehr hinaus.“ Die Eule nickte. „Womit füttern sie euch?“, fragte Schatten.
Die Eule runzelte die großen Brauen angesichts dieser Frage. „Mit Mäusen, überwiegend“, sagte er zögernd.
„Ich wette, sie sind miserabel, oder? Schmecken alle gleich?“
Ein schnelles, etwas beängstigendes Tröten kam aus der Kehle der Eule und Schatten spannte sich an, bevor er erkannte, dass es Gelächter war.
„Du solltest mal die Insekten versuchen, mit denen sie uns versorgen“, sagte Schatten. „Hab heute eines von ihnen gegessen, musste richtig würgen!“
„Schmeckt das Wasser dir auch merkwürdig?“, wollte die Eule wissen.
„Ja doch, nach Metall“, sagte Schatten.
„Ja, Metall“, sagte die Eule wieder mit einem kurzen Kichern.
„Nun, siehst du, wie viel wir gemeinsam haben?“, sagte Marina.
Die Eule starrte sie an, ein bisschen von ihrem Misstrauen kehrte zurück. „Ich lass mich nicht von euch austricksen.“
„Im Augenblick haben wir keine Tricks auf Lager“, sagte Schatten. „Wir sind genauso verwirrt wie ihr, glaub mir.“
Die Eule drehte den Kopf herum und betrachtete die riesigen Bäume und üppigen Pflanzen. „Was ist das für ein Ort?“
Schatten schüttelte den Kopf und horchte. Er konnte nichts hören außer dem tropf-tropf des Wassers, das von den Blättern herabfiel, und dem
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