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Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition)

Titel: Sonnenflügel: Roman. Band 2 der Fledermaus-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Ende. Noch am Leben. Noch. Das klang nicht sehr beruhigend. Sollte das bedeuten, sein Vater war dem Tode nahe, war kaum noch am Leben, und wenn Schatten sich nicht beeilte und etwas täte, käme er zu spät?
    Er fühlte sich irritiert. Er war nach all dem nicht viel klüger als vorher. Er wusste immer noch nicht, ob Marina und die anderen in Sicherheit waren. Und die Sonne retten?
    Mit einem Schnauben schüttelte er den Kopf. „Der Sonne geht’s doch gut“, murmelte er vor sich hin. „Ihr geht’s fantastisch da oben, wie sie so scheint. Ich glaube nicht, dass der Sonne irgendetwas passieren wird. Um mich selber mache ich mir Sorgen. Um mich und eine Million anderer Fledermäuse.“
    Rette die Sonne.
    Warum sollte ich? Plötzlich wurde er von Ärger erfasst. Was war das für eine Forderung an jemanden? Wie? Wann? Warum konnte nicht Nocturna die Sonne retten, wenn das so wichtig war? Lass sie doch zur Abwechslung mal selbst etwas von der Schwerstarbeit tun, statt sie an kleine Fledermausknirpse weiterzugeben!
    Ich habe genug davon, mich benutzen zu lassen, dachte er, als er seinen Sinkflug beschleunigte. Von Goth, von den Menschen. Er hatte genug. Er würde versuchen seinen Vater zu retten, Marina zu retten, seine Mutter und Frieda. Das war alles, worauf es ihm jetzt ankam. Keine weiteren großen Ideen mehr, keine Versprechen mehr.
    Nur überleben.
    Aber in der Botschaft hatte es geklungen, als ob die Rettung der Sonne und die Rettung seines Vaters irgendwie zusammenhingen, wie, konnte er sich allerdings nicht vorstellen. Jetzt kamen langsam Bilder aus seinen jüngsten Träumen an die Oberfläche. Ein Auge, das sich hinter der Sonne öffnete, eine ewige Nacht.
    Er blickte zur Sonne hinüber, die jetzt hoch über dem Horizont stand, glitt mit den Augen schnell über sie hinweg und schloss sie dann fest, um den Schmerz abzustellen. Die Gestalt der Sonne brannte noch auf seinen Augenlidern. Er runzelte die Stirn.
    Ein Stück fehlte.
    Nicht viel – man würde es kaum wahrnehmen, wenn man nicht genau hinschaute –, aber auf einer Seite war ein kleines Scheibchen von ihrer Rundung abgeschnitten, genauso wie der Mond schrittweise abnahm im Laufe eines Monats.
    Der Mond kam immer wieder zurück.
    Würde die Sonne das auch tun?
    „Dies ist das Ende der nördlichen Wasserwege“, sagte Odysseus am Ruder. „Was jetzt kommt, gehört zu den südlichen Königreichen.“
    Während der vergangenen Stunden war Marina aufgefallen, dass die Tunnel, durch die die Barke jetzt schwamm, in weniger gutem Zustand schienen. Die Wände bestanden nur aus weichem, schlammigem Dreck. Einmal war das Wasser vollkommen versickert und sie und Ariel mussten von Bord gehen und den Ratten dabei helfen, das Boot über eine längere Strecke Modder zu ziehen. Oft gab es fast überhaupt kein Licht, um sich zu orientieren, und Marina benutzte dann ihr Klang-Sehen, um Odysseus dabei zu helfen sie durch die zunehmend labyrinthischen Tunnel zu steuern.
    Dies war ihre zweite Nacht auf der Barke, mit der sie unterirdisch auf den Wasserwegen der Ratten dahinjagten. Nur zweimal hatten sie auf ihrer Fahrt nach Süden angehalten. Odysseus hatte dann das Fahrzeug am Ufer festgemacht, einen Gang zur Erdoberfläche gegraben und am Stand der Gestirne überpüft, ob sie noch auf Kurs lagen. Dann verbrachten sie ein paar Stunden mit der Jagd. Marina kreiste vorsichtig mit Ariel in diesen fremdartigen neuen Landschaften, in denen die Luft immer wärmer wurde. Bei ihrem letzten Ausflug an die Erdoberfläche fanden sie nichts als Sand vor, der sich so weit erstreckte, wie sie sehen konnten, und große, dünne Kakteen. Aber die Luft wimmelte von Insekten.
    Auf der Barke konnten Marina und Ariel nicht viel mehr tun als schlafen. Ihr Körper schien sich an den ausgefallenen Winterschlaf zu erinnern, und so verbrachte sie viele Stunden, indem sie auf der sanft schaukelnden Barke vor sich hin döste. Anfangs war sie teilweise wach geblieben, weil sie den Ratten noch misstraute, aber sie schienen freundlich und vor allem fest entschlossen, die Wünsche ihres gnädigen Königs zu erfüllen. Herold, den Botschafter, mochte sie besonders. Er hatte ein intelligentes, lebhaftes Gesicht, seine Schnurrhaare zuckten, wenn er sprach.
    „Bist du schon einmal im Süden gewesen?“, hatte Ariel ihn kurz nach ihrer Abfahrt gefragt.
    „Nein. Solange ich lebe, hat es wenig Kontakt zwischen uns und unseren südlichen Vettern gegeben. Sie haben immer die Herrschaft der nördlichen Könige

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