Sonnenkoenig
sie
vorsichtig wecken werden.«
Ninus jubelte innerlich.
»Ein ernst gemeinter Rat, Herr
Hagen«, fuhr der Arzt fort. »Sie sehen schrecklich aus. Sie sollten unbedingt
für ein paar Stunden nach Hause fahren, heiß duschen und etwas schlafen. Sonst
werden Sie im Zimmer nebenan landen und nichts mehr für Frau Rotmilch tun können.«
Er hatte recht. Ninus fühlte sich
gerädert, sämtliche Muskeln waren verspannt und es war wirklich nur noch eine
Frage der Zeit, bis er zusammenklappen würde. »Mach ich. Danke. Was denken Sie,
wann ich wieder hier sein soll?«
Der Arzt schaute auf seine Armbanduhr.
»Sagen wir, in fünf bis sechs Stunden, vielleicht um 13 Uhr.«
Da er sich zum Autofahren zu
erschöpft fühlte, ließ Ninus sich mit einem Taxi nach Hause chauffieren.
Sündhaft teuer, was ihm völlig egal war. Als er oben an seiner Wohnung ankam,
fiel ihm Carla ein. Carla, wie sie hier vor der Tür gewartet hatte. Was war
zwischenzeitlich alles geschehen?
Nach einer heißen Dusche war
Hagen innerhalb von Minuten in einen tiefen, festen Schlaf gesunken. Der Schlaf
dauerte nicht lange, nicht, wie er es sich gewünscht hatte. Mit klopfendem
Herzen schreckte er hoch. Er atmete schwer. Die Uhr verriet ihm, dass es halb
elf war. Ninus versuchte erneut, einzuschlafen. Keine Chance. Sollte er gleich
wieder in die Klinik fahren? Er entschloss sich, Beppo anzurufen. Das Gespräch
war kurz. Als Ninus ihm erzählte, wie es um Lena stand und er sofort wieder
nach Frankfurt fahren würde, hatte Beppo vorgeschlagen, ihn abzuholen und in
die Klinik zu bringen. Auf dem Weg hätten sie genügend Zeit, ein paar wichtige
Fragen zu klären. Ninus war sofort einverstanden.
Wieder auf der A 66. Wanninger fuhr
gemächlich, ließ sich durch die üblichen Staubildungen nicht aus der Ruhe
bringen. Er hatte für Hagen das Wichtigste zusammengefasst, einschließlich des
Gesprächs mit Ströcker.
Ninus fiel es schwer, sich auf
Beppos Ausführungen zu konzentrieren. Die Überraschung war seinem Freund
gelungen. Als er nämlich in Wanningers Wagen einsteigen wollte, staunte er
nicht schlecht. Auf der Rückbank saß Carla. Ninus hatte einen kurzen Moment gezögert
und war hinten eingestiegen.
»Dachte mir, ich bringe dir
jemanden zur Aufmunterung mit«, sagte Beppo und beobachtete die beiden im
Rückspiegel.
Hagens Empfindungen spielten
Achterbahn. Einerseits durchlief ihn ein lange nicht mehr erlebtes Wohlgefühl,
als er neben Carla saß. Andererseits vermochte er sie und ihre Gefühle ihm
gegenüber überhaupt nicht einzuschätzen. Zu viele Geheimnisse umgaben sie.
Ständig kamen neue Dinge zum Vorschein, die Carla wieder in einem ganz anderen
Licht zeigten. Sie hatte sich gefreut, ihn zu sehen. Das war deutlich zu
merken, als er sich neben sie setzte. Gesagt hatte sie nichts, lediglich ihre
Augen hatten für einen Moment aufgeleuchtet, förmlich gestrahlt, um sich sofort
wieder in traurige Dumpfheit zurückzuziehen. Ihre rechte Gesichtshälfte war
blau und grün. Am liebsten hätte er sie gestreichelt. Ach, er wusste es selbst
nicht. Gerade als er sich entschieden hatte, einfach die Dinge auf sich
zukommen zu lassen, sich darüber keine Gedanken zu machen, sondern sich voll auf
die nächsten Momente und notwendigen Schritte zu konzentrieren, ergriff sie
seine Hand und drückte sie. Drückte sie so fest, dass es wehtat. Das bedeutete
nur eins: Halte mich, hilf mir.
»Wenn die Herrschaften sich
wieder auf mich konzentrieren würden«, meldete sich Beppo und brachte Ninus in
die Realität zurück. »Besonders gefreut hat sich Ströcker, als ich ihm die
Unterlagen übergab, die wir bei Lenas Sachen gefunden hatten. Sie hatte sie zu
unserem Treffen in Hochheim mitgebracht, kam leider nicht mehr dazu, sie uns zu
zeigen. Es waren Informationen einer Kollegin aus Südafrika. Alle Daten, die
sie ihr geschickt hatte, waren Adressen von Firmen, hauptsächlich
Immobilienmakler und Werbeagenturen. Wenn man alle Besitz- und
Eigentumsverhältnisse auseinanderklamüsert, haben alle einen gemeinsamen
Nenner: Ausnahmslos gehören sie zum Firmengeflecht des Sonnenkönigs. Leider war
ich nicht in der Lage, dem Oberstaatsanwalt die Frage zu beantworten, woher
Frau Rotmilch diese Daten hatte. Du vielleicht?«
Ninus, der sich vorgenommen
hatte, keine Geheimnisse mehr vor seinem Freund zu haben, zog das als Fußball
getarnte MP3-Abspielgerät aus seiner Jackentasche. »Erinnerst du dich? Das ist
kein FSV-Maskottchen, sondern ein Datenspeicher.
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