Sonnenstürme
tauchen?« Als sich der junge Mann dem Ozean näherte, stieg ihm das Wasser wie eine Qualle entgegen. Es ähnelte einer gallertartigen Masse, als es nach oben wuchs, über den Rand des Behälters kippte und ihn füllte. Was in ihm keinen Platz fand, fiel ins Meer zurück. »Shizz, habt ihr das gesehen?«
Die anderen Roamer liefen zu ihren Schiffen und holten ebenfalls Behälter. Gliedmaßen aus vibrierendem Wasser kamen aus dem Ozean, um sie zu füllen. Nikko stellte verblüfft fest, dass seine Trommel nicht schwerer war als vorher, obwohl sie Wental-Wasser enthielt – die Wasserentitäten schienen in der Lage zu sein, irgendwie die Gravitation des Planeten zu manipulieren. »Es fühlt sich nach Elektrizität an. Meine Finger prickeln.«
Jess beobachtete, wie sich die Behälter seiner Roamer-Gefährten mit der Essenz der Wentals füllten. Bald würden die seltsamen Wesen Gelegenheit bekommen, sich auf anderen Meereswelten auszubreiten, und dadurch wuchsen sie zu einem mächtigen neuen Verbündeten heran. In gewisser Weise beneidete Jess diese Roamer und ihr Staunen.
Er hätte sie gern begleitet, doch auf ihn wartete eine andere Mission, die ihn fast so verzehrte wie die Liebe für Cesca.
61 CESCA PERONI
Cesca suchte nach Jhy Okiah und stellte fest, dass die alte Frau in einem Schutzanzug draußen bei den Asteroiden schwebte und die Verbindungen zwischen ihnen überprüfte. Spezielle Kabel und Balken verhinderten, dass Rendezvous auseinander trieb. Das Licht des fernen roten Zwergsterns strich matt über die Raumschiffe der Roamer, die sich Rendezvous näherten oder von den Asteroiden entfernten.
Jhy Okiah hatte viele Jahr lang in der sehr niedrigen Schwerkraft von Rendezvous gelebt und wäre nicht mehr imstande gewesen, die viel höhere Gravitation eines Planeten auszuhalten. Ihre Knochen waren spröde, trotz der Übungen und der Mineralienzusätze im Essen. Es lag am Alter – obwohl sie kein Zeichen von Schwäche zeigte. Nach wie vor beharrte sie darauf, nützliche Arbeit für die Roamer zu leisten.
Die kalte Leere des Alls mochte nicht der beste Ort sein, um ein Gespräch zu führen oder sein Herz zu öffnen, aber Cesca griff trotzdem nach einem Raumanzug und nutzte seine Manövrierdüsen für die Navigation zwischen den Asteroiden, in denen sich die Roamer eingerichtet hatten.
Schon als Kind hatte Cesca vom Gouvernanten-Kompi UR gelernt, wie man einen Schutzanzug für den Aufenthalt im All benutzte. Mit solchen Dingen mussten sich alle Roamer auskennen.
Erneut gab sie mit den Manövrierdüsen Schub und näherte sich Jhy Okiah, die dicht neben den Verbindungsbolzen des Hauptasteroiden schwebte. Sie aktivierte den Blickrichtungskommunikator – wenn der Abstand zwischen der früheren Sprecherin und Cesca gering genug war, konnten sie ein vollkommen privates Gespräch führen.
Die alte Frau schwebte unbekümmert in der Schwerelosigkeit, entspannte Arme und Beine. Der Raumhelm hinderte ihr graues Haar daran, sich wie eine Wolke auszubreiten. »Viele Clanmitglieder sind für diese Inspizierungspflichten qualifiziert, Cesca. Hast du keine wichtigere Arbeit? Oder übst du schon für den Ruhestand?«
»Diesen Kommentar höre ich so oft von dir, dass ich mich frage, ob du kein Interesse mehr daran hast, mit mir zu sprechen.«
»Ich erinnere mich daran, dass ich keine Zeit für solche Ausflüge hatte.«
Cesca zog sich an einem Balken näher. »Du hast mich gelehrt, mit den Clans in Verbindung zu bleiben. Die Bande von Familie und Freundschaft halten die Roamer zusammen, worauf du oft genug hingewiesen hast. Außerdem: Der Abbruch unserer Handelsbeziehungen mit der Hanse hat einige von uns von ihren üblichen Aktivitäten abgeschnitten. Und Jess ist mit Freiwilligen aufgebrochen…« Cescas Stimme verklang.
»Du vermisst ihn.«
»Natürlich vermisse ich ihn. Aber ich bewundere auch seine neue Leidenschaft für eine Mission, die uns alle retten könnte. Die Regierung der Clans ist in jedem Fall ein Fulltimejob, aber ich möchte auch etwas Bedeutungsvolles tun, während ich auf die Antwort der Hanse warte. Die Roamer haben ein so großes Potenzial.«
Jhy Okiah lachte leise. »Du stimmst den Clan-Oberhäuptern nicht vollständig zu, soweit es das strenge Embargo betrifft. Aber ich bin sicher, dass du uns trotzdem gut durch diese Krise bringst.«
»Ich rechne noch immer damit, dass jeden Moment eine Bombe platzt. Noch haben wir nichts von der Großen Gans gehört. Warum dauert es so lange, bis sie
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