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Sonnensturm

Sonnensturm

Titel: Sonnensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Schein der Sonne
ihn nicht verschluckt hätte.
    Sogar in Siobhans Privatleben war zum allgemeinen Erstaunen
von Freunden und der Familie Bewegung geraten. Sie hätte
nicht erwartet, dass ihre Affäre mit Bud sich so unmerklich
und schnell vertiefen würde, zumal sie fast die ganze Zeit
auf verschiedenen Welten verbrachten. In den schwierigsten Zeiten
ihres Lebens war die Beziehung ein Quell des Trostes und der
Kraft für sie gewesen.
    Und nun waren auf einer Veranstaltung, die eigentlich eine
routinemäßige wöchentliche
Fortschrittsbesprechung hätte sein sollen, aus heiterem
Himmel zwei Probleme aufgetreten, die den Erfolg des gesamten
Projekts infrage stellten.
    Auf ihrem Bildschirm erschien Rose Delea wieder mit einem
Kaffee, der in der geringen Schwerkraft träge schwappte. Das
Gespräch wurde wieder aufgenommen, und Siobhan versuchte
sich auf die Sache zu konzentrieren.
    Mathematisch war die Positionierung eines Objekts an einem
Lagrangepunkt einfach. Wäre der Schild eine Punktmasse
gewesen, dann hätte man ihn auf der langen Linie, welche die
Erde mit der Sonne verband, exakt an L1 positionieren
können. Nur dass es bei diesem Projekt nicht mehr um
Mathematik ging, sondern um Technik.
    Zum einen war der L1-Punkt nicht stabil, sondern nur halb
stabil: Wenn man diese Punktmasse aus ihrer Position versetzte,
würde sie dazu tendieren, auf der Linie des
Erde-Sonne-Radius zu ihrem Ausgangspunkt zurückzudriften; es
bestand aber auch die Möglichkeit, dass sie in einer
x-beliebigen Richtung von dieser Linie abtrieb. Also musste man
sich technischer Hilfsmittel wie Raketen-Triebwerke bedienen, um
den Schild in einer stationären Position zu halten.
    Und überhaupt war der Schild keine Punktmasse, sondern
ein riesiges Objekt, das nach seiner Fertigstellung die ganze
Erde überschatten würde. Nur der geometrische
Mittelpunkt des Schildes, der auf der Erde-Sonne-Linie lag,
konnte am L1-Punkt exakt zentriert werden. Alle anderen Punkte
wurden zum Mittelpunkt gezogen, und mit der Zeit wäre der
Schild in sich zusammengefallen. Eine starre Bauweise hätte
die Masse jedoch in eine astronomische Höhe getrieben. Das
Problem sollte nun gelöst werden, indem der Schild in eine
langsame Rotation versetzt wurde. Die Drehbewegung war sehr
langsam – nur vier Umdrehungen pro Jahr – ›als ob Gott Seinen Sonnenschirm dreht‹, wie
Michail es beschrieb – aber schnell genug, um den Schild zu
stabilisieren.
    Jedoch hatte die Rotation auch Nebenwirkungen. An einem sich
drehenden Objekt im Raum anzudocken, selbst wenn es sich so
langsam bewegte wie der Schild, war viel heikler als das
Ankoppeln an einem stationären Objekt. Und was noch
prekärer war, durch die Drehbewegung würde der Schild
zu einem riesigen Gyroskop. Während er seiner Bahn zwischen
Erde und Sonne folgte, würde er die Ausrichtung im Raum
beibehalten – und deshalb im Lauf eines Jahres von der
Sonne-Erde-Linie abweichen, sodass er seine Funktion als
›Sonnenschirm‹ verlor.
    Zumal es noch andere Kräfte außer der Schwerkraft
gab, die berücksichtigt werden mussten. Das Sonnenlicht, ein
Regen aus Photonen, übt Druck auf jedes Objekt aus, auf das
es einfällt. Es ist zwar eine zu schwache Kraft, um auf
einer erhobenen menschlichen Hand einen Sinnesreiz
auszulösen, aber es war stark genug, um ein Raumboot mit
ätherischen, kilometergroßen Segeln durchs Weltall zu
schieben – und es war ganz sicher stark genug, um eine
signifikante Kraft auf ein so großes Objekt wie den Schild
auszuüben. Und dann gab es noch weitere Komplikationen, wie
zum Beispiel Störungen durch die Schwerefelder des Mondes
und der anderen Planeten und eine Beeinträchtigung durch das
Magnetfeld der Erde selbst.
    Um diesen Einflüssen Rechnung zu tragen, sollte der
Schild eine variable Oberfläche bekommen. Durch das
kontrollierte Öffnen und Schließen von Lamellen sollte
der sanfte Druck des Sonnenlichts genutzt werden, um den Schild
zu drehen. Eine elegante Lösung: Das Sonnenlicht selbst
sollte genutzt werden, um den Schild in der exakten Position zu
halten.
    Damit der Schild in dieser Umgebung mit mannigfaltigen und
ständig sich ändernden Kräften die Position zu
halten vermochte, musste er jedoch selbst intelligent genug sein,
um seine Position im Raum zu bestimmen und sich dynamisch
anzupassen. Idealerweise registrierte jeder Quadratzentimeter des
Schildes alle auf ihn und den Schirm als Ganzes wirkenden

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