Sonst kommt dich der Jäger holen
Pfeifenkopf und redete dann in ihn hinein. »Aber das passiert schon mal, dass im Eifer des Gefechts die Pferde mit einem durchgehen. Offenbar standen die Kollegen unter Druck. Einen anderen Ton hätten’s schon anschlagen können, sicher. Dann wäre es für alle leichter gewesen, den Ball flach zu halten. Das Ganze ist halt saudumm gelaufen. Für alle Beteiligten. Die von der Hundestaffel sind auch nicht grad begeistert von dieser Pleite. Die hatten ein Spezialtraining angesetzt. Ist wohl schwierig, das zeitnah noch einmal hinzukriegen. Nun gut. Das hast du nicht gewusst, das wusste keiner von uns.«
»Wir wissen überhaupt sehr wenig«, warf Felix ein. Sein Stuhl quietschte. Jämmerlicher Ton.
Leopold Chefbauer nahm einen Metallspatel aus der Schublade, der winzig wirkte in seinen Pranken, und kratzte behutsam im Pfeifenkopf herum. »Das liegt in der Natur der Sache. Das ist doch immer so, wenn die OK kommt oder das LKA , BKA . Übermorgen, also am Freitag um halb drei, ist eine Besprechung angesetzt, bei uns. Hast du bis dahin deinen Bericht fertig zum Fall des toten Jägers Jensen? Die Eckdaten habe ich bereits mitgeteilt.«
»Im Grunde ist alles dokumentiert.«
»Sie werden die Akten mitnehmen. Das wirst du sicher professionell über die Bühne bringen, Felix?«
»Gewiss.«
»Ich weiß, manche von denen tragen die Nase hoch. Doch es gibt auch normale«, erklärte Chefbauer und knickte einen rotweißen Pfeifenreiniger. »Am Freitag werden wir hören, wie viel Spielraum wir haben und bis wo wir ermitteln, wo unsere Grenzen sind. Bis dahin stimmen wir uns eng mit ihnen ab. Die wollen über jeden Schritt informiert werden. Und ich sowieso. Ist alles klar so weit, was die Abläufe angeht?«
»Selbstverständlich.«
»Gut.« Leopold Chefbauer fädelte den Pfeifenreiniger durch das Mundstück. »Was hast du für einen Eindruck von unserem Polizeiobermeister Winter?«
»Motiviert.«
»Dann behältst du ihn die zwei Wochen, bis Claudia wieder da ist. Die hat aber auch ein Pech mit ihrem Haxen, und das zum Umzug. Da kannst du einen Bänderriss so gut brauchen wie einen Kropf. Jemand soll den Dienstplan vom Johannes Winter anpassen. Hab ein Auge auf den Jungen. Er braucht Praxis.«
»Die wird er kaum kriegen, wenn uns alles aus der Hand genommen wird.«
»Wir sind uns einig?« Leopold Chefbauer überhörte das Gesagte und blies probeweise durch das Mundstück.
Felix nickte.
»Ist der Bericht vom Waffenfund schon fertig?«
»Ich schreibe ihn, bevor ich heimgehe.«
»Lass das den Johannes machen.«
»Aber er …«
»Der Johannes soll das schreiben.«
8
Wie so oft, wenn ich Andreas Namen in meinem Handydisplay las, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Ich sollte mich öfter bei ihr melden. In meinem Leben ist kein Platz für viele Sozialkontakte, mir genügt das Geschnatter in den Umkleidekabinen. Meistens war Andrea es, die mich anrief. Sie teilte Flippers Meinung, dass eine Frau eine beste Freundin brauchte. Ich hatte früher schon mal einer besten Freundin vertraut – bis ich sie mit Abgehakt in meinem Bett vorfand. Das lag nun mehr als drei Jahre zurück. Ich war lernfähig, und seit drei Jahren war mein Leben komplett. Mit Flipper. Wenn ich einen kritischen Blick in mein Umfeld warf, war ich tatsächlich die Einzige, der ich reinen Gewissens vollständige psychische Gesundheit attestieren konnte. Man kann Probleme auch züchten. Damenumkleidekabinen sind diesbezüglich die reinsten Biotope. Ich jedenfalls brauche keine Tiefenpsychologie, Astrologie und anderen Kram. Ist doch logisch, dass man sich schlecht fühlt, wenn man dauernd gefragt wird, wie es einem geht, weil man dann nämlich erst mal darüber nachdenkt, ob es einem eventuell schlecht geht, und das endet nur zu fünfzig Prozent positiv. Ich frage Flipper auch nicht fünfmal hintereinander. Einmal reicht. Und manchmal ist es besser, selbst das ausfallen zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was ansteht. Bauchmuskeltraining, Napf füllen, für die Nachbarin einkaufen.
Andrea hörte sich meine Schilderung der Geschehnisse an, ohne mich zu unterbrechen. Dann sprach sie das aus, was ich selbst befürchtete: »Wenn aktenkundig wird, dass die Frau Fischer und ihr Hund schon wieder was ausgebuddelt haben, könnte das ein schlechtes Licht auf Felix werfen.« Andrea ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie sich die Umsetzung ihres Ratschlags, ich solle Felix besser kennenlernen, ehe ich mich von ihm trennte, anders vorgestellt
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