Sonst kommt dich der Jäger holen
hatte.
»Die Leiche damals war nicht auszubuddeln, die lag schon frei«, korrigierte ich.
»Soviel ich weiß, verstößt es gegen die Dienstvorschrift, wenn man als Polizist Ermittlungsakten mit nach Hause nimmt. Das sieht nicht gut aus für deinen Kommissar.«
»Aber es waren keine polizeilichen Unterlagen! Es war ein privates Notizbuch.«
Andrea stöhnte. »Weißt du, im Grunde genommen bist du wie ein Hund. Du musst überall deine Nase reinstecken.«
»Leider bin ich kein Hund«, grinste ich. Meine nimmersatte Neugier hatte Andrea mir schon öfter zum Vorwurf gemacht. »Denn als Hund würde ich den Mörder aufstöbern.«
»Bitte nicht! Bitte nicht schon wieder ein Mörder!« Abwehrend hob sie die Hände.
»Es gibt wahnsinnig viele Frau Fischers, das muss nicht ich gewesen sein, die abermals was gefunden hat im Wald. Fischer ist ein Allerweltsname. Deshalb fällt das bestimmt keinem auf.«
»Und wie viele Hunde namens Flipper gibt es?«
»Die werden den Hund kaum namentlich in ihrem Protokoll erwähnen! Der Hund heißt Hund und basta.«
»Was wohl dahintersteckt, wenn Sonderermittler, so was werden die zwei Männer in dem Audi vermutlich sein, anrauschen und den Fund einkassieren?«, überlegte Andrea. »Angenommen, Flipper hat die Tatwaffe gefunden, mit der dieser Jäger erschossen wurde …«
»… Ich weiß nicht mal, ob es Mord war«, unterbrach ich sie.
»Sicher war das Mord. Sonst wäre die Mordkommission nicht mit der Sache betraut! Die werden denken, dein Kommissar verrät Interna.«
»Sag nicht immer dein Kommissar . Außerdem heißen die nicht Mordkommission, sondern K1, Tötungsdelikte und sonstige unklare Todesfälle .«
»Deiner oder nicht – jedenfalls steckt er in Schwierigkeiten. Besser wäre es gewesen, du hättest einen neuen Termin für ein Frühstück mit ihm verabredet, anstatt Hals über Kopf abzuhauen und im Anschluss unerlaubt Akteneinsicht zu nehmen.«
Andreas Stimme klang ernst. »Meide Andechs wie der Teufel das Weihwasser! Keinesfalls darfst du dich in die Ermittlungen einmischen. Du hast erst kürzlich erlebt, wie das enden kann. Beschränke deinen Kontakt mit Felix also auf sein Privatleben.« Sie grinste. »Sonst wirst du nie rauskriegen, was er frühstückt.«
Ich nickte schuldbewusst. Aber wie sollte ich meinen Kontakt mit ihm auf sein Privatleben beschränken, wenn er gar keinen Kontakt mehr wollte? Zuerst musste ich meine Schuld wiedergutmachen. Ich musste dem Kommissar auf der dienstlichen Ebene einen Tipp geben, damit Felix auf der privaten Ebene meine Entschuldigung annehmen würde.
9
Am nächsten Tag fuhr ich wieder raus, gleich nach Rückenschule und Step. Ich wollte mich noch einmal am Ort des Waffenfundes umsehen – großräumig. Vielleicht würde Flipper etwas Interessantes finden. Er durfte schnuppern, wo er wollte, im Gegensatz zu den Polizeihunden an der Leine. Ich wünschte mir, Flipper möge einen Beweis sicherstellen, der Felix dazu befähigte, seinen aktuellen Fall zu klären. Dann würden wir auf der privaten Ebene noch mal ganz von vorne anfangen. Am besten vorerst ohne Körperkontakt, einfach nur reden.
Über Nacht hatte es geregnet, klar und würzig stand die Luft über den Seen, und die Wälder leuchteten wie frisch gewaschen. Beschwingt lief ich auf dem Seehöhenweg an einem Stahlzaun entlang, der mindestens zweieinhalb Meter hoch und mit Stacheldraht gesichert war. Ein kleiner Pfad hatte mich vom Waldweg aus hergeführt. Leider fuhren hier offensichtlich gelegentlich Autos entlang – Jäger? –, und in den Reifenspuren sammelten sich Wasser und Matsch. Ich wollte gerade umkehren, da entdeckte ich das Anwesen eines Großkopferten. Ein Normalkopferter könnte sich nicht mal die Schmiergelder für die Ausweisung dieses schönen Fleckchens als Bauland leisten. Und bräuchte auch nicht so viel Angst zu haben: Alle paar Zaunmeter spähte eine Kamera den Weg aus. An der Einfahrt, die durch ein blickdichtes automatisches Tor gesichert war, fehlte der Name. »Das würde mich ja schon interessieren, wer hier wohnt«, teilte ich Flipper mit, dem die Maulwurfsimmobilien an der Auffahrt deutlich mehr Eindruck machten.
Neugierig versuchte ich einen Blick auf das Anwesen hinter dem Zaun zu erhaschen, das sicher eine herrliche Aussicht über den See bot, doch die dichte Hecke vereitelte es. So trat ich achselzuckend den Rückweg an. Ob ich einen Abstecher zum Fundort der Waffe wagen durfte?
Flipper stieß ein warnendes Knurren aus, zu bedrohlich, um
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