Sonst kommt dich der Jäger holen
einem Maulwurf zu gelten. Ich fuhr herum. Zwei Muskelpakete – beide an die eins neunzig groß, einer mit schwarzer Strickmütze, der andere mit Käppi, beide in Kargohosen und eng anliegenden schwarzen Pullovern – standen vor mir. Waren die Typen vom Himmel gefallen? Aber nach Priesterseminar sahen sie nicht aus. Mit drei, vier Sätzen bezog Flipper Position neben mir, das Nackenfell gesträubt. Der mit der Mütze wedelte mit der Hand durch die Luft, so ähnlich, wie es in Historienfilmen Majestäten zu tun pflegen, wenn sich die Dienerschaft hurtig entfernen soll. Bei Flipper kam die Botschaft an. Er hob sein Bein und markierte einen der Eisenpfosten an der Einfahrt. Innerlich klatschte ich ihm Beifall. Da rannte der mit dem Käppi auf Flipper zu. Ich wusste genau, was er vorhatte. Flipper auch. Er wich dem Fußtritt aus und bleckte die Zähne.
»Weg. Privat«, sagte der mit dem Käppi, und der mit der Mütze zischte, als wäre ich eine lästige Fliege, während er noch mal winkte, schneller diesmal. Er ohrfeigte die Luft.
Ich wechselte einen Blick mit Flipper. Wir waren einer Meinung. Wir würden darauf verzichten, uns die Dienstausweise zeigen zu lassen, weil wir uns sonst vielleicht auch würden ausweisen müssen; Frau Fischer blieb lieber anonym.
»Einen schönen Tag noch, die Herren«, verabschiedete ich mich. Ich spürte meinen Herzschlag bis in die Kehle, als ich den Männern den Rücken zuwandte und so locker wie möglich Richtung Waldweg lief. Wenn das Felix’ Kollegen waren – halleluja. Dann litt ich keineswegs, wie meine Psychologenfreundin Andrea behauptete, unter Bindungsangst. Dann hatte ich allen Grund, den Mann zu meiden wie der Teufel das Weihwasser.
10
Seit Montag, dem Tag, an dem ich zufällig das Notizbuch des Kommissars gefunden und zufällig gründlich studiert hatte, und verstärkt seit Dienstag, dem Tag, an dem Flipper die Waffe ausgegraben hatte, suchte ich jeden Morgen in verschiedenen Zeitungen nach Informationen über den Jägerfall. Der tote Jäger, Gerd J., war bislang nur einmal aufgetaucht – je näher das Oktoberfest rückte, desto mehr Platz beanspruchte das Vorglühen: die Trachtenmoden. In der neuen Ausgabe des Kreisboten, dem meine besondere Aufmerksamkeit galt, schließlich war eine Journalistin jener Zeitung vor Ort gewesen, entdeckte ich am Donnerstag eine Reportage über eine Übung der bayerischen Hundestaffel. In einem Waldgebiet bei Andechs seien die Ermittler auf leisen Pfoten in fremdem Terrain verschiedensten Aufgaben nachgegangen. Es gebe Rauschgift-, Sprengstoff-, Personen- und Leichensuchhunde. Ein einziger Hund sei in der Polizeiarbeit so effektiv wie fünf Beamte. Viele Kriminelle hätten größere Angst vor Polizeihunden als vor Polizisten. Hunde seien die besseren Schnüffler und schnelleren Läufer. Sie witterten einen Angriff vor seiner Ausführung und außerdem alle Arten von Drogen. Die darauf geschulten Personensuchhunde, Mantrailer genannt, stellten Flüchtende selbst in einer Fußgängerzone – als Fährte dienten ihnen bereits wenige Hautschuppen. Andere Hunde seien darauf spezialisiert, vergrabene Leichen zu finden oder eine für das menschliche Auge nicht sichtbare Blutspur im Wald – alle zwei, drei Meter ein Tropfen. Aus diesem Grund seien die Spezialkräfte auf Pfoten auch nicht billig. Rechnete man die zeit- und kostenintensive Ausbildung und den Unterhalt eines Tieres zusammen, komme man auf einen Wert von rund zwanzigtausend Euro.
Ich blätterte vor zum Impressum, tippte die Telefonnummer der Redaktion ein und ließ mich mit Annalena Bomhart verbinden.
»Ich weiß nicht, ob Sie sie sich an mich erinnern«, begann ich mit einer Floskel, »wir haben uns am Dienstag in dem Wald bei Andechs getroffen und kurz miteinander gesprochen. Sie haben mich mit einer Leserin verwechselt.«
»Ja, ich erinnere mich. Worum geht’s?«
»Wenn Sie sich an mich erinnern, dann doch bestimmt auch an die Waffe?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Ich würde gerne wissen, warum Sie von einer Übung berichten, obwohl es keine war. Die Polizeihundestaffel hatte einen Einsatz, weil im Wald eine Waffe gefunden wurde. Ich weiß, dass Sie das wissen.«
Schweigen. Dann ein zögerliches: »Hat Ihnen der Artikel nicht gefallen?«
»In der Gegend wurde letzte Woche ein Jäger erschossen. Waren Sie nicht deshalb vor Ort?«
»Es haben bereits zwei Leser angerufen, die meine Reportage sehr gelobt haben, wir überlegen jetzt, ob wir eine Serie über die
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