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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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und sprang auf. Wie konnte er jetzt an Essen denken! »Ich will nach Hause!«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Also doch Plan B? Oder war das schon immer Plan A?«, fragte er mich.
    »Was?«
    »Weglaufen«, erwiderte er knapp.
    »Ich lauf nicht weg!«
    »Nein, du bewegst dich nur schnell.«
    » Du läufst dauernd weg«, stellte ich die Dinge richtig. »Du hast nie Zeit. Du musst ständig die Welt retten.«
    Er breitete die Arme aus. »Wo, Franza? Wo rette ich jetzt die Welt?«
    »Ja, jetzt kannst du nicht. Wegen deiner Tochter. Deshalb können wir auch keine Phantomzeichnung anfertigen, das hab ich schon verstanden!«
    »Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?«
    »Ha!« Ich stürmte Richtung Schlafzimmer, Felix stellte sich mir in den Weg, kurz, ganz kurz, spürte ich die Kraft seines muskulösen Körpers, ein Vibrieren in der Luft; er schob mich zur Seite und öffnete behutsam die Tür. Sinah und Flipper lagen vor dem Bett, sie hatte sich an seine Brust gekuschelt und schlief, seine Vorderpfoten umarmten sie. Träge öffnete er sein braunes Auge. Wedelte schwach, nur mit der Schwanzspitze. »Jetzt ein Foto!«, flüsterte Felix. Alle Anspannung war aus seinem Gesicht gewichen. Das war schon ungewöhnlich, wie er Flipper seine Tochter anvertraute. Ein Schnapp und der Kopf wäre ab. Felix machte einen Schnappschuss, den Flipper geduldig abwartete. Dann stand er sehr vorsichtig auf und stupste Sinah zum Abschied zart an die Wange. Felix hob sie aufs Bett, sie schlief einfach weiter.
    »Du willst wirklich gehen?«, fragte er.
    Nein, dachte ich. »Ja«, sagte ich.
    »Das ist schade«, sagte er.
    Ja, dachte ich. »Nein«, sagte ich.
    »Ich bring dich runter«, sagte er.
    Wie lieb von ihm, dachte ich. »Das ist nicht nötig«, sagte ich.
    Er öffnete die Tür und hielt sie mir auf. Ich schlüpfte hindurch. Nein, nicht ich allein. Ich war jetzt zwei. Franzaja und Franzanein. Allein Flipper blieb vollständig, aber er war ja immer auf vier Beinen unterwegs.
    Die Macht packte uns bei den Briefkästen im Hausflur. So wie überhaupt noch nie. Und danach ging es mir so schlecht wie überhaupt noch nie. Und das hatte drei Gründe. Erstens: Wieso hatte ich ihm nur meine fünfzig verstockten Prozent gezeigt? Zweitens: Wieso konnte ich Sex mit jemandem haben, auf den ich dermaßen wütend war?
    Zweieinhalbtens: Wieso war der Sex mit jemandem, auf den ich dermaßen wütend war, dermaßen gut?
    Drittens und schlimmstens: Wir hatten etwas Entscheidendes vergessen. Das war noch nie passiert. Aber jetzt war es passiert, und ich hoffte und hätte fast gebetet, dass nichts passiert sein möge.

39
    Es wird schon nichts passieren, dachte Felix am Montagmorgen in seinem Büro und nahm den Telefonhörer in die Hand. Ohne die Autos, die dort parkten, wahrzunehmen, schaute er auf den geteerten Platz vor der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck. Auf dem Flur hustete sich jemand einen Lungenflügel aus dem Leib. Bald wären die Kollegen vollzählig. Montag war immer die Hölle los, weil das Wochenende besprochen wurde. Viele Straftaten wurden Samstags und Sonntags begangen. Felix atmete tief durch und schaute auf die Telefonnummer. Dann tippte er sie in die Tastatur des Telefons. Während das Freizeichen ertönte, wusste er, dass er einen Fehler machte. Danach versuchte er, den Fehler zu vergessen. Einfach nicht daran denken, so als hätte er nicht angerufen. Als Bert ihn zur Konferenz um neun Uhr abholte, hatte er das tatsächlich geschafft.
    Leopold Chefbauer fasste die Ereignisse des Wochenendes zusammen und gab dann bekannt, dass der Fall Jensen und der Fall Rose-Meyer nicht zusammengelegt würden, dass man aber eng zusammenarbeiten werde. Im Fall Jensen galten nach wie vor dieselben Regeln, Chefbauer rief sie ihnen noch einmal ins Gedächtnis. Der Ort Andechs und die Umgebung sollten keinesfalls mit Polizei assoziiert werden, sondern wie es sich gehörte mit Bier, Bayern, Beten, in dieser oder einer beliebigen anderen Reihenfolge – aber eben nicht mit Polizei.
    Um Andechs rein zu halten wie das bayerische Bier war auch bei der Pressekonferenz alles vermieden worden, was den Eindruck erwecken könnte, die beiden jagdlichen Todesfälle könnten etwas miteinander zu tun haben. Ein einziger Reporter, ein Praktikant, wie sie jetzt von so vielen Zeitungen geschickt wurden, habe nachgefragt, ob das nicht ungewöhnlich sei, zwei tote Jäger auf einmal. Ein anderer habe gerufen: »Die Sau schlägt zurück.«
    »Da war einer wohl im

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