Sonst kommt dich der Jäger holen
ist, und in Wirklichkeit ist er ganz woanders. Ma muas ned ois glaum, wos stimmt.« Franz Brandl stützte sich am massiven Eichentisch auf, der seinen Kratern und Rillen, Rinnen und Verfärbungen nach zwei Weltkriege überstanden hatte, schaute Felix tief in die Augen und ging dann zur Toilette. Felix zückte sein Handy und trug Johannes auf, herauszufinden, wann genau Gerd Jensen in Kiel gewesen ist. »Am liebsten mit Belegen. Zug, Flug. Kann sein, dass die bei Puster was in der Buchhaltung haben. Klemm dich sofort dahinter … Nein, das andere lässt du derweil liegen.«
»Wenn ich Ihnen jetzt was sage, dann nicht, weil ich müsste. Ich sag Ihnen das, weil ich will«, begann Franz Brandl nach seiner Rückkehr unvermittelt.
»Freilich. Sie sind nach wie vor ein Zeuge, Herr Brandl. Sie brauchen sich nicht selbst belasten, Sie brauchen nicht gegen nahe Verwandte aussagen, die Kollegen haben Sie diesbezüglich bereits aufgeklärt. Deshalb wissen Sie auch, dass das, was Sie sagen, der Wahrheit entsprechen muss.«
»Erst wenn Sie mich verhaften, darf ich lügen«, stellte Franz Brandl fest.
»Da täuschen Sie sich«, sagte Felix, der diese Halbwahrheit schon unzählige Male gehört hatte. Richtig war zwar, dass ein Beschuldigter lügen durfte, auch bis sich die Balken bogen, zumindest machte er sich damit nicht zusätzlich strafbar. Doch auch ein Zeuge durfte ungestraft lügen, solange er nicht vor einem Richter saß. Es sei denn, er belastete damit bewusst andere zu Unrecht, dann konnte auch eine Falschaussage vor der Polizei strafbar werden. Besonders glaubwürdig war ein Zeuge allerdings kaum, wenn er vor Gericht etwas anderes aussagte als bei der Polizei.
»Bleibt das, was wir hier reden, unter uns?«, erkundigte sich Franz Brandl.
»Nicht ganz. Aber ich muss es Ihrer Frau nicht zur Kenntnis bringen.«
»Wenn ich es jetzt Ihnen sag, dann sag ich es auch meiner Frau.«
»Ist das der richtige Zeitpunkt?«
»Den hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben.«
»Seit wann haben Sie eine Affäre mit Frau Ludewig?«
»Gehabt, Herr Kommissar. Gehabt. Das ist lang her. Wir waren beide jung, blutjung und frisch verheiratet. Sie mit dem Werner, ich mit der Maria. Und wir waren auch beide glücklich verheiratet. Das war ja das Problem.«
Felix hob fragend die Augenbrauen.
»Das war … Ich kann es nicht beschreiben. So was hat es vorher und nachher nicht mehr gegeben in meinem Leben. Das war, als wär ich nicht ich. Da konnte ich mir noch so oft vornehmen, dass ich das nicht will. Das ist zusammengebrochen in dem Moment, wo ich sie gesehen habe. Ich hab gedacht, ich bin verrückt und konnte ja mit niemand darüber reden, weil ich meine Frau, die Maria, doch geliebt habe. Ich weiß nicht, was das war, was ich für die Alice empfand, Liebe vielleicht auch, aber nicht so wie zu meiner Frau. Dieses andere war … so stark, und nicht, dass Sie glauben, es wär nicht schön gewesen mit meiner Frau …«
»Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen.«
Franz Brandl schüttelte den Kopf. »Das weiß man nicht. Das muss man erlebt haben. Sonst begreift man das nicht. Das ist jenseits von dem, was normalerweise möglich ist. Das kann man sich nicht vorstellen.«
»Genau«, sagte Felix, und Franz Brandl musterte ihn neugierig. Dann grinste er und hob sein Glas. Felix prostete zurück. Eine Weile schauten sie der Bedienung beim Abräumen des Nachbartisches zu.
»Und wann war es dann aus und wieso?«, fragte Felix.
»Die Umstände«, sagte Franz Brandl. »Ich habe mich da ja nicht mehr naus gesehen. Ich hätte auch nicht gewusst, wie ich es beenden soll, weil es nicht in meiner Macht stand. Und auch nicht in der von der Alice, weil wir waren ja beide nicht glücklich mit der Situation. Das hat uns komplett fertiggemacht, weil wir unseren Ehepartnern treu sein wollten. Für die Alice war das auch ein religiöses Problem. Es hat uns überkommen wie …, also im Grund genommen waren wir nicht anders wie rauschige Wildsäu.«
Kombinierend, dass das etwas mit Brunft zu tun haben musste, nickte Felix.
»Aber dann ist die Alice schwanger gewesen.«
»Von Ihnen?«, rief Felix.
»Nein, zum Glück nicht. Der Bub schaut mir gar nicht gleich. Vom Werner. Und das hat uns dann doch geholfen, Abstand zu halten. Die Schwangerschaft hat uns irgendwie die Augen geöffnet. Es hätt ja auch blöd gehen können. Aber von da an haben wir uns endlich wieder wie Menschen benehmen können. Auch wenn es am Anfang noch ein bisserl schwierig war,
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